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ZiviZ-Survey: 30.000 Vereine verstummen wegen zu engem Gemeinnützigkeitsrecht

Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.

  • ZiviZ-Survey: Fünf Prozent unterlassen politische Beteiligung wegen Sorge um Gemeinnützigkeit
  • Repräsentative Studie zeigt erstmals, was wegen engem Recht nicht stattfindet
  • Koalition muss zügig Gemeinnützigkeitsrecht ins 21. Jahrhundert bringen

Der Thinktank „Zivilgesellschaft in Zahlen“ (ZiviZ) im Stifterverband hat heute (7.3.2023) Trendergebnisse des ZiviZ-Survey 2023 vorgestellt. Der ZiviZ-Survey ist eine repräsentative Befragung der organisierten Zivilgesellschaft und erfasst seit 2012 in regelmäßigen Abständen Strukturmerkmale und Entwicklungen. Der ZiviZ-Survey 2023 wurde im Herbst 2022 durchgeführt. Zur Befragung gehörte ein Themenschwerpunkt „Zivilgesellschaft in der Demokratie“. Zu den von ZiviZ festgestellten Trends der vergangenen Jahre gehört, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen immer häufiger als Impulsgeber für sozialen Wandel oder auch als Akteure der politischen Willensbildung verstehen. Sie möchten mit ihren Aktivitäten und Angeboten Gesellschaft und Politik mitgestalten.

Ein aktueller Befund: In Teilen der Zivilgesellschaft besteht Verunsicherung, inwiefern politische Mitgestaltung Gefahren für den Gemeinnützigkeitsstatus bergen. Insgesamt geben fünf Prozent der Organisationen an, sich aus Sorge um ihren Gemeinnützigkeitsstatus nicht intensiver politisch zu engagieren. Bei einem von ZiviZ erhobenen Stand von 656.888 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland bedeutet das: 30.000 Vereine mischen sich nicht für Demokratie ein, obwohl sie es wollen.

Besonders stark ist die Sorge in den Engagementfeldern Umwelt (elf Prozent) und internationale Solidarität (zehn Prozent). Im Kulturbereich sind es fünf Prozent, bei Sport und Katastrophenschutz immer noch vier Prozent.

Die Ergebnisse des Ziviz-Survey zeigen auch, dass die politische Mitgestaltung für gemeinnützige Organisationen völlig normal ist. Der Großteil der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland engagiert sich für Demokratieförderung. Viele davon wollen damit auch politische Beteiligung fördern. Sich in politische Prozesse einzubringen, in der Regel in Verfolgung ihrer gemeinnützigen Zwecke, oft durch direkten Austausch mit Politiker:innen ist für sehr viele der Organisationen Teil ihrer normalen Arbeit.

Doch 30.000 Vereine unterlassen dies, weil sie Sorge um ihren Status der Gemeinnützigkeit haben. Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von an die 200 Vereinen und Stiftungen:

„Dass Tag für Tag wichtiges Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit unterbleibt, weil Vereine um ihren Gemeinnützigkeits-Status bangen, wissen wir – Politiker:innen haben uns das oft nicht geglaubt. Dass einer von 20 Vereinen aus dieser Sorge heraus seine Arbeit beschränkt, hat mich dennoch überrascht. In der Allianz ‚Rechtssicherheit für politische Willensbildung‘ arbeiten wir täglich an Freiraum für zivilgesellschaftliches Handeln. Trotzdem haben wir das Problem unterschätzt. Vermutlich ist die Zahl sogar höher. Denn selbst bei einer anonymen Befragung geben Vorstände solche Ängste oft nicht an.

Die repräsentativen Ziviz-Zahlen zeigen, dass es nicht nur um eine Handvoll Vereine geht, deren Arbeit durch das zu enge Gemeinnützigkeitsrecht beschränkt wird. Es geht nicht nur um Vereine, deren Mission immer mit politischer Einmischung verbunden ist, wie etwa Umweltvereine. Auch vier Prozent der Sportvereine oder der Katastrophenschutz-Organisationen unterlassen demokratisches Engagement, um ihr Kerngeschäft zu schützen.

Das ist alarmierend. Wer Demokratiebildung und darüber hinaus Engagement für Rechtsstaatlichkeit will, muss handeln. SPD, Grüne und FDP haben dazu im Koalitionsvertrag Sofortmaßnahmen vereinbart. Die müssen endlich angegangen werden.“

 Weitere Informationen

Eine Vielzahl von Vereinen und Stiftungen fühlt sich durch das unklare Gemeinnützigkeitsrecht in seiner Arbeit beschränkt. Fast 200 Vereine und Stiftungen haben sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammen geschlossen, um das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und die selbstlose politische Einmischung etwa für Grundrechte und gemeinnützige Zwecke abzusichern. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem Amnesty International, Attac, Brot für die Welt, Campact, LobbyControl, Oxfam, Transparency International und Terre des Hommes.

Weitere Infos: https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de

Update August 2023

„Zivilgesellschaft in Zahlen“ hat Mitte August ein Policy-Paper mit einer Tiefen-Analyse der Frage zu politischer Einmischung und Angst vor dem Verlust der Gemeinnützigkeit veröffentlicht, inklusive Handlungsempfehlungen. Dazu gehört insbesondere: „Wichtig wäre insgesamt eine präzisierende gesetzliche Formulierung, die klare und verlässliche Voraussetzungen für eine politische Betätigung schafft.“ Denn Vereine, Stiftungen und andere gemeinnützige Organisationen sind immer häufiger Akteure und Orte politischer Willensbildung, stellt ZiviZ als Trend fest.

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