Visit page
Zum Inhalt springen

Lockerungen im Gemeinnützigkeitsrecht

Wir stellen hier Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht in Folge der Corona-Krise dar. Dieser Text mit Stand vom 14. April 2020 stellt keine rechtliche Beratung dar, sondern ist ein unverbindlicher Hinweis zu aktuellen Regelungen.

(Fast) alle Erleichterungen wurden am 12. Dezember 2022 bis Ende 2023 verlängert!
Siehe den Erlass hier mit Bezug auf diesen Vor-Vor-Jahres-Erlass.
Ähnlich lief es bereits 2021: Verlängerung damals bis Ende 2022 (Erlass vom 15. Dezember 2021).

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 9. April 2020 einen Erlass (BMF-Schrei­ben) zu „Steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene“ veröffentlicht.  Darin geht es nicht um die Unterstützung gemeinnütziger Organisationen, sondern um vorübergehende Lockerungen im Gemeinnützigkeitsrecht. Die Lockerungen folgen weitgehend in anderen Situationen (Hochwasser, Sommer der Migration) angewand­ten Maßnahmen und gelten zunächst bis Ende 2020. (Verlängert bis Ende 2021.) Es geht dabei insbesondere um

  • a) Mittelverwendung und eigene Tätigkeiten über den eigenen Zweck hinaus
  • b) Angemessenheit eigener Ausgaben

Es handelt sich nach unserer Einschätzung nicht um Steuererleichterungen, wie gelegentlich berichtet wurde, sondern vor allem um Ablauf-Erleichterungen. Steuerliche Vorteile haben eventuell Spenderinnen und Spender. Gemeinnützigen Organisationen bleiben negative steuerliche Folgen erspart.

Zur Mittelverwendung und zu eigenen Tätigkeiten

Alle gemeinnützigen Organisationen dürfen auch ohne passenden Satzungszweck zu Spenden für „von der Corona-Krise Betroffene“ aufrufen und diese Spenden entspre­chend einsetzen. (In Spendenbescheinigungen ist auf die Sonderaktion hinzuweisen.)

Alle gemeinnützigen Organisationen dürfen vorhandene Mittel ohne Zweckbindung für „von der Corona-Krise Betroffene“ einsetzen.

Personal und Räumlichkeiten dürfen für Hilfe „von der Corona-Krise Betroffene“ über­lassen oder genutzt werden. Wird für die Überlassung Geld genommen, gilt diese wirt­schaftliche Tätigkeit als Zweckbetrieb.

Beispielhafte Zwecke, die verfolgt werden können, ohne dass dies eigene anerkannte Satzungszwecke sind: Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens, des Wohl­fahrtswesens oder die Förderung mildtätiger Zwecke.

Damit wird der Ausschließlichkeitsgrundsatz gelockert (was wir auch über die aktuelle Krise hinaus generell fordern). Üblicherweise dürfen ge­meinnützige Organisationen nur ihre eigenen Satzungszwecke verfolgen. Die eigene Tätigkeit für andere gemeinnützige Zwecke ist sowenig erlaubt wie für nicht gemeinnützige Zwecke. Dagegen ist es steuerrechtlich stets möglich, Geld an andere gemeinnützige Organisationen auch für andere Zwecke weiterzuge­ben.

Die Lockerungen hier gelten nur für andere gesetzliche gemeinnützige Zwecke, nicht für alle Tätigkeiten – Hilfe für Transsexuelle etwa muss von einem anderen Zweck gedeckt sein!

Unternehmen können ihre Unterstützungsleistungen wie Sachspenden von der Steuer absetzen.

Für Spenden auf Corona-Sonderkonten nur von Wohlfahrtsverbänden und deren Mitgliedsorganisationen reicht der Überweisungsbeleg als Nachweis (also auch über 200 Euro hinaus keine Bescheinigung nötig).

Achtung: Bei direkter Hilfe für Personen (Mildtätigkeit) ist:

  • Bedürftigkeit der unterstützten Person zu prüfen und zu dokumentieren.
  • Bei Unterstützung für Personen in häuslicher Quarantäne oder die aufgrund ihres Alters, Vorerkrankungen o.ä. zum besonders gefährdeten Personenkreis gehören, ist die körperliche Hilfsbedürftigkeit zu unterstellen – das muss den­noch dokumentiert werden.
  • Die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit wird unterstellt bei der kostenlosen Zurverfügungstellung von Lebensmitteln oder Einkaufsgutscheinen an Tafel-Kunden oder Obdachlose.
  • Bei finanziellen Hilfen ist die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit der unterstützten Person glaubhaft zu machen.

Angemessenheit eigener Ausgaben

Wird für alle Angestellten das Kurzarbeitergeld auf bis zu 80 Prozent aufgestockt, wer­den weder die Mittelverwendung für satzungsmäßige Zwecke noch die Marktüblichkeit und die Angemessenheit der Aufstockung geprüft.

Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschalen dürfen weiterhin geleistet werden, obwohl eine Ausübung der Tätigkeit aufgrund der Corona-Krise (zumindest zeitweise) nicht mehr möglich ist.

Verluste im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dürfen mit Mitteln des ideellen Bereichs, Gewinnen aus Zweckbetrieben oder Erträgen aus der Vermögens­verwaltung ausgeglichen werden.Verluste aus der Vermögensverwaltung ebenso (und auch aus Gewinnen des Wirtschaftsbetriebs). Die Verluste müssen nachweislich auf­grund der Auswirkungen der Corona-Krise bis zum 31. Dezember 2020 entstanden sein.

Zeitnahe Mittelverwendung

Mit dem Erlass noch nicht in den Blick genommen hatte das Finanzministerium nötige Änderungen bei zeitnaher Mittelverwendung und Rücklagen. Wenn ein Verein dieses Jahr geplante Aktivitäten nicht durchführen kann, könnte er eventuell in Probleme kommen, weil er quasi zu viel Geld hat. Die Lösung, das Geld für „von der Corona-Krise Betroffene“ weiterzureichen, wäre im Moment die einzig mögliche.

In einem FAQ zu Corona und Steuern (Stand: 30. April 2020) erklärt das Ministerium allerdings in Ziffer 8 zu „X. Maßnahmen im Gemeinnützigkeitssektor und für gesellschaftliches Engagement in der Corona-Krise“: „Die jetzt im Jahr 2020 eigentlich für einen bestimmten Zweck zur Verwendung vorgesehenen Mittel müssen also nicht irgendwie anderweitig verwendet werden, nur damit der Status der Gemeinnützigkeit erhalten bleibt.“ Dies sei zwar tatsächlich ein Verstoß gegen das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, aber das Finanzamt werde „dem Verein eine angemessene Frist zur Mittelverwendung setzen. Angesichts der derzeitigen Situation werden bei der Frist in jedem Fall die Auswirkungen der Corona-Krise berücksichtigt. Den steuerbegünstigten Körperschaften wird damit mehr Zeit als gewöhnlich zur Verwendung der angesammelten Mittel eingeräumt.“

Ob dies tatsächlich immer so funktioniert, wird sich zeigen. Das FAQ ist nicht verbindlich für die Finanzämter, aber liefert Argumentationshilfe.

Die Steueranwältin Anna Katharina Gollan nimmt das Problem zum Anlass, die generelle Einführung einer Business Judgement Rule zu fordern, etwa in einen neuen Absatz 2 in Paragraph 59 der Abgabenordnung. Dann würde das Handeln von Organisationen weniger nach den späteren Folgen als nach der sorgfältigen Abschätzung während der Entscheidung beurteilt, unabhängig davon, ob sich Umstände ändern.

Siehe auch

Weitere Infos u.a. im Blog der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg.