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Geplantes Lobbyregister und zivilgesellschaftliche Organisationen

CDU, SPD und CSU wollen in Kürze im Bundestag ein Gesetz für ein Lobbyregister beschließen. Das ist im Prinzip gut und kann auch die Debatte um politische Tätigkeiten gemeinnütziger Organisationen entlasten. Vorteile eines Lobbyregisters wären, dass Transparenz-Regeln im Gemeinnützigkeitsrecht nicht kleine Vereine überfordern und dass große Organisationen sich nicht durch den Verzicht auf die Gemeinnützigkeit vor Transparenz-Regeln drücken können. Ein Nachteil ist, dass die Regeln für die erweiterte Verbändeliste die Logik zivilgesellschaftlicher Organisationen wenig mitdenken und dadurch zu unnötigen Belastungen und Ungleichbehandlungen führen. So müssten Organisationen, die registrierungspflichtig sind, alle Spenden ab 20.000 Euro offenlegen – ebenso ihre Aufwendungen für Interessenvertretung, auch für Demonstrationen oder Öffentlichkeits-Kampagnen. Von der Registrierungspflicht ausgenommen sein sollen Berufsverbände, die auch Tarifverhandlungen führen. Lobby-Agenturen müssten nur die Ausgaben, nicht die Einnahmen offenlegen.

Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben am Freitag, 11. September 2020, einen Gesetzentwurf für ein Lobbyregister in den Bundestag eingebracht (Drucksache 19/22179 (mehr zum Stand des Verfahrens beim Bundestag). Für den 1. Okto­ber ist eine öffentliche Anhörung im Bundestag geplant, dann soll das Gesetz zügig be­schlossen werden. Die Koalitionsfraktionen haben sich schon geeinigt, dass nun auch Kontakte zur Bundesregierung einbezogen werden sollen, Formulierungen dafür liegen noch nicht vor.

Der Schritt zu einem Lobbyregister folgt seit Jahren erhobenen For­derungen zivilgesellschaftlicher Organisationen und ist im Kern ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz – auch wenn an manchen Stellen zu kurz gedacht.

Der Gesetzentwurf sieht letztlich eine Erweiterung der bisherigen Verbändeliste beim Bundestag vor. Der Eintrag in der Verbändeliste ist bisher freiwillig und bietet vielen Organisationen keine bis wenige Vorteile – es gibt kein Anrecht auf einen Haus­ausweis, es gibt auch kein Anrecht darauf, von Bundestag oder Regierung angehört zu werden. Laut Gesetzentwurf soll die Eintragung im Lobbyregister zukünftig für diejeni­gen verpflichtend sein, die „Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundes­tag ausüben und dabei im demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess mitwirken“. Auch wird die Eintragung um zusätzliche Auskünfte erweitert.

Unzureichendes Verständnis zivilgesellschaftlicher Organisationen

Auffallend ist, dass der Gesetzentwurf nur unzureichend versteht, wie zivilgesellschaft­liche Organisationen in die politische Willensbildung eingreifen und was markante Un­terschiede sind etwa zu Interessenvertretung durch Berufsverbände, durch einzelne Unternehmen und durch Dienstleister, die im bezahlten Auftrag Dritter handeln. Insge­samt zieht sich durch den Gesetzentwurf ein unklarer Begriff zivilgesellschaftlicher Or­ganisationen, die nicht im Auftrag Dritter handeln. Das fehlende Verständnis für die­sen Sektor führt zu spezifischen Benachteiligungen etwa gegenüber denen, die im Auf­trag Dritter handeln:

  • Zivilgesellschaftliche Organisationen, die im Register erfasst sind/erfasst sein müssen, müssten alle erhaltenen Spenden, Zuwendungen und Zuschüsse ab 20.000 Euro Höhe offenlegen (in 10.000-er-Schritten). Wobei unklar ist, was mit „Offenlegung“ gemeint ist, etwa auch die Nennung der Spender*innen-Namen. Das gilt unabhängig davon, wie groß der Anteil direkter Lobby-Arbeit an der gesamten Arbeit ist. (§2, Absatz 1, Ziff. i)
  • Organisationen, die als Tarifpartnerinnen einer Tätigkeit zur „Einflussnahme auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingun­gen“ nachgehen, sind von einer Eintragung ins Lobbyregister befreit. Viele Berufsverbän­de können sich darauf berufen. Nicht aber zivilgesellschaftliche Organisationen, die gegen Autokauf-Prämien, für Mindest­löhne oder zu steuerlichen Fragen arbeiten. (§1, Absatz 3, Ziffer f)
  • Wer registrierungspflichtig ist, muss sich zur Einhaltung eines Verhaltenskodex verpflichten, der vom Bundestag anerkannt ist (aber nicht vom Bundestag er­stellt wird). Einen solchen ethischen Kodex zur Interessenvertretung durch zivil­gesellschaftliche Organisationen gibt es bisher nicht. Andere Kodizes sind eher unpassend. Es besteht die Gefahr, dass zivilgesellschaftliche Organisationen da­durch ausgeschlossen werden. (§2, Absatz 1, Ziff. k in Verbindung mit §3)
    (Im ersten Entwurf war sogar vorgesehen, dass nur ein Kodex anerkannt wird, der auch ein öffentliches Rügeverfahren vorsieht.)

Wer sich nicht mit den nötigen Angaben im Lobbyregister einträgt, muss ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro zahlen. Zur Eintragung ist verpflichtet, wer „Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag, seinen Mitglie­dern, Fraktionen oder Gruppen betreiben will“ (§1, Absatz 1), sofern dies „regelmäßig betrieben“ oder „auf Dauer angelegt ist“. Als ein Maßstab wird dabei formuliert, wenn „innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte aufgenommen wurden“. Dies soll unabhängig von der Rechtsform geschehen und „für Netzwerke, Plattformen und anderen Formen kollektiver Tätigkeiten“ gelten.
(Unsere Allianz bekennt sich dazu, lobbyierend tätig zu sein – wir wirken etwa auf diesen Ge­setzentwurf ein. Wir tun das regelmäßig und die Arbeit ist auf Dauer angelegt. Aber auf 50 verschiedene Kontakte in drei Monaten kommen wir wohl nicht.)

Offenlegung von Spenden ab 20.000 Euro

Wer registrierungspflichtig ist, muss dann „jede Tätigkeit zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Deutschen Bundestages samt seinen Organen, Mitgliedern, Fraktionen oder Gruppen“ bei den anzugebenden Kosten und Personalstellen berücksichtigen und alle Spenden ab 20.000 Euro offenlegen, auch wenn diese für andere Zwecke gedacht sind. Offenbar nicht von der Registrierungspflicht erfasst wären Veranstalter*innen von Demonstrationen und Öffentlichkeits-Kampagnen, Betreiber*innen von politischen Blogs oder Newslettern, die keine direkten Kontakte zum Bundestag aufnehmen.
Ein Umweltverband, der viel Geld für Renaturierung, Biotope und Streuobstwiesen ausgibt, aber auch regelmäßig beim Bundestag für Anpassung von Gesetzen für diese Arbeit wirbt, müsste auch die hohe zweckgebundene Spende für den Ankauf eines Naturschutzgebiets veröffentlichen.

Bei dem Beispiel besteht bei einigen Organisationen die Sorge, dass deshalb solche Großspenden ausbleiben, weil Spender*innen Höhe und Art ihrer Spenden nicht gegenüber Dritten offenbaren wollen, ob gegenüber anderen Organisationen, der Nachbarschaft oder der Familie. Noch fataler kann die Offenlegungspflicht für besonders schutzbedürftige Gruppen sein, für die keine Ausnahmen von der Offenlegung vorgesehen sind. Zum Beispiel:

  • Eine Gruppe homosexueller Profi-Sportler*innen, die hauptsächlich in Beratung und Selbsthilfe engagiert ist, aber regelmäßig mit Mitgliedern des Sportausschusses spricht über Möglichkeiten, wie Diskriminierung homosexueller Sportler*innen vermieden werden kann, müsste ihre Großspenden offenlegen und würde damit eventuell veröffentlichen, wer in diesem Netzwerk aktiv ist.
  • Ein Zusammenschluss von Überlebenden sexuellen Missbrauchs wirbt beim Bundestag für Entschädigungsregelungen. Die Veröffentlichung von privaten Spenden könnte Überlebende öffentlich bekannt machen, bevor sie ihre Familie darüber informiert haben.

Möglich ist es, die Finanzierungs-Angaben zu verweigern – solche Organisationen kommen auf eine Extra-Liste, die als „Shame-and-Blame-Liste“ diskutiert wird. Sie bekommen damit einen Ruch von Unseriösität. Derzeit ist nicht vorgesehen, dass in der Liste Gründe für die Verweigerung genannt werden oder die Offenlegung anonymisiert erfolgt, um Transparenz mit Schutzbedürftigkeit auszugleichen.aufgelistet werden.

Irrtum über Bedeutung des Lobbyregisters

Vermutlich gehen die Regierungsfraktionen von dem Irrtum aus, mit dem Gesetz würde „ein Regelungsrahmen für das Miteinander von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft geschaffen“. Der im Entwurf als Ziel postulierte Anspruch muss für zivilgesellschaftliche Organisationen insbesondere über das Gemeinnützigkeitsrecht und auch über Förderrichtlinien zunächst überhaupt ermöglicht werden:

„Die Vertretung gesellschaftlicher Interessen gegenüber der Politik und der all­gemeinen Öffentlichkeit gehört zu den Wesensmerkmalen eines demokrati­schen Staatswesens. Seit jeher sind Interessenvertreterinnen und Interessenver­treter unterschiedlichster Art in verschiedenen Formen an demokratischen Wil­lensbildungsprozessen beteiligt. Widerstreitende Interessen finden im Verlauf und im Ergebnis politisch-parlamentarischer Entscheidungsprozesse ihren Aus­gleich. „

Sinnvolle Transparenz

In der Debatte um Lobbyregister und Transparenz stecken einige zivilgesellschaftliche Organisationen in einem Dilemma: Einerseits fordern viele mehr Transparenz von Industrieverbänden oder auch zwielichtigen Akteur*innen. Viele Organisationen machen bereits freiwillig Finanzierung und Ausgaben transparent, etwa nach dem Standard der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) (siehe ) oder durch die Veröffentlichung von Jahresberichten.

Doch diese Transparenzregeln gehen einigen zu weit.

Organisationen wie LobbyControl, Abgeordnetenwatch oder Transparency International Deutschland kritisieren dagegen das geplante Lobbyregister als nicht scharf und klar genug gegenüber Lobby-Agenturen und Berufsverbänden, siehe dazu unter anderem:

Details der Regelungen

Im Register sollen u.a. veröffentlicht werden (§2):

  • a) Name und Sitz der Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter
  • b) Interessensbereich und Beschreibung der Tätigkeit
  • c) Zusammensetzung von Vorstand und Geschäftsführung bei juristischen Personen
  • d) Mitgliederzahl bei Verbänden und Vereinen
  • f) Angaben zu Auftraggebern für welche Interessenvertretung betrieben wird, wenn die Interessenvertretung Fremdinteressen betrifft
  • g) Anzahl der Beschäftigten in Stufen von jeweils zehn Beschäftigten, die mit der Interessenvertretung unmittelbar beauftragt sind
  • h) Daten zu den jährlichen finanziellen Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung (ohne Personalkosten) in Stufen von jeweils 10.000 Euro
  • i) Offenlegung von Zuwendungen, Zuschüssen oder Spenden in Stufen von jeweils 10.000 Euro, sofern jeweils ein Betrag von 20.000 Euro überschritten wird
  • j) Offenlegung von Jahresabschlüssen oder Rechenschaftsberichten von juristischen Personen, falls keine handelsrechtliche Offenlegungspflichten bestehen
  • k) Angabe eines anerkannten Verhaltenskodex nach § 3 Absatz 1 und 2.

Die Punkte a) bis d) stellen für die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen keine Herausforderung dar. Mitgliederzahlen können schwanken und sind eventuell weniger relevant als etwa Zahlen der Unterstützer*innen.

Zu Punkt f) können zivilgesellschaftliche Organisationen in der Regel erklären: keine. Die Formulierung zeigt, dass die auftragslose Tätigkeit nicht gesehen wird.

Offenlegung von Abschlüssen o.ä. (unter j) ist etwa nach dem Standard der Initiative Transparente Zivilgesellschaft sowieso vorgesehen.

Die Abgrenzung von Beschäftigten und Aufwendungen für „Interessenvertretung“ kann herausfordernd sein, wobei bei der Zahl der Beschäftigten ein Großteil der Organisationen „weniger als zehn“ sagen können wird. Bei den Nicht-Personalkosten sollen wohl auch Kosten für die Organisation einer Demonstration oder der Betrieb einer (Kampagnen-)Website gehören.

Problematisch ist die unter i) vorgesehene „Offenlegung von Zuwendungen, Zuschüssen oder Spenden“. Zivilgesellschaftliche Organisationen (und auch andere Verbände) müssten ihre gesamte Finanzierung offenlegen, während Agenturen dies nicht müssen.

Problematischer kann die Pflicht werden, sich einem Verhaltenskodex zu unterwerfen, der in §3 definiert ist. Für zivilgesellschaftliche Organisationen gibt es einen solchen Kodex bisher nicht. In Entwurfsfassungen war die Regelung noch enger. Anerkannt werden sollte nur ein Verhaltenskodex von „berufsständischen Verbänden oder Vereinen“, der auch „ein öffentliches Rügeverfahren bei Verstößen“ vorsieht. Das war eine Formulierung, die den Regeln des Lobbyist*innen-Verbandes degepol entspricht. LobbyControl fordert, dass der Bundestag selbst einen Verhaltenskodex und ggf. Rügeverfahren definieren soll.