Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.
- Finanzminister einigen sich auf Klarstellung im Gemeinnützigkeitsrecht
- Keine Begrenzung politischer Tätigkeiten
- Es fehlen noch neue Zwecke wie Förderung der Menschenrechte
Die Landesfinanzminister haben sich heute im Bundesrats-Finanzausschuss geeinigt, dass ins Gemeinnützigkeitsrecht folgende Regel aufgenommen werden soll: „Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre steuerbegünstigte Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist.“ (Quelle: Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel)
Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 175 Vereinen und Stiftungen:
„Es ist ein richtiger Schritt anzuerkennen, dass gemeinnützige Organisationen natürlich auch mit politischen Mitteln wirken können, etwa mit Demonstrationen, Bürgerbegehren und Forderungen an Bundestag, Länderparlamente oder die Kommune. Dieser Schritt ist schon lange überfällig. Die bisherige rigide Auslegung des Gemeinnützigkeits-Rechts ist demokratie-schädlich und unnötig. Der Bundestag sollte diese Klarstellung zügig beschließen.
Allerdings ist diese Klarstellung nur ein erster Schritt. Sie nutzt wenig, wenn nicht weitere gemeinnützige Zwecke ins Gesetz geschrieben werden: Es fehlen unter anderem das Engagement für soziale Gerechtigkeit oder für Menschenrechte und das Grundgesetz. Nur im Zusammenklang solcher Zwecke und der Möglichkeit, damit auch politisch zu wirken, wird die Wächterfunktion zivilgesellschaftlicher Organisationen für Demokratie und Rechtsstaat abgesichert. Wer sich gegen Rassismus und Antisemitismus engagiert, wer Polizei oder Schulen auf Einhaltung rechtsstaatlicher Standards prüft, wer über Gefahren für die Demokratie aufklärt, braucht Rechtssicherheit, nicht nur freundliche Appelle aus der Politik.
Um sich für die Demokratie zu engagieren, brauchen zudem alle gemeinnützigen Vereine und die Stiftungen die gesetzliche Erlaubnis, sich bei Gelegenheit über ihren Zweck hinaus zu engagieren: Sonst wird dem Chorverein die Gemeinnützigkeit entzogen, wenn er zur Antisemitismus-Demonstration aufruft oder dem Pfadfinderinnen-Verein, wenn er zum morgigen Klima-Streik mobilisiert.“
Mehr zu den Forderungen für mehr Rechtssicherheit hier.
Eine Vielzahl von Vereinen und Stiftungen fühlt sich durch das unklare Gemeinnützigkeitsrecht bedroht. Mittlerweile mehr als 175 Vereine und Stiftungen haben sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammen geschlossen, um das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und die selbstlose politische Einmischung etwa für Grundrechte und gemeinnützige Zwecke abzusichern. Mitglied sind unter anderem Amnesty International, Brot für die Welt, Transparency International und Terre des Hommes.
Weitere Infos: https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de
Hintergrund-Infos
- Das Bundesfinanzministerium kündigt seit ca. einem Jahr einen Gesetzesentwurf zur Gemeinnützigkeit an, ohne dass ein Hausentwurf fertiggestellt wurde.
- Der Bundesrat hatte bereits vor einem Jahr in seiner Stellungnahme zum Jahressteuergesetz u.a. zusätzliche Zwecke gefordert.
- Bereits im März 2020 hatten die Länder Bremen und Berlin einen Antrag in den Bundesrat eingebracht, mit dem Zielmarken für eine Gemeinnützigkeitsreform gesetzt werden. Darin wurde u.a. gefordert, Körperschaften müssten sich „im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ auch politisch engagieren dürfen, ohne ihre Steuerbegünstigung zu verlieren. Dafür sollten entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.
- Ein Gutachten von Jura-Professor Sebastian Unger zeigt, dass der Gesetzgeber erhebliche Spielräume bei der Gemeinnützigkeit hat. Es gebe keine verfassungsrechtlichen Grenzen für die politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen zugunsten ihrer Zwecke. Auch die Aufnahme politischer Willensbildung als eigener Zweck ins Gesetz ist möglich. Eine Gleichbehandlung zivilgesellschaftlicher Organisationen mit Parteien ist verfassungswidrig, da zwischen ihnen markante Unterschiede bestehen, etwa die Teilnahme an Wahlen.