Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat heute (2.8.2021) einen 31 Seiten starken Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung des demokratischen Engagements und einer lebendigen Zivilgesellschaft“ veröffentlicht. Die GFF, eine von mehr als 180 Mitgliedsorganisationen der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, macht damit konkrete Vorschläge zur Umsetzung der Forderungen der Allianz. und geht noch darüber hinaus, etwa mit einer Regelung, die Herkunft hoher Spenden ab ca. 50.000 Euro zu veröffentlichen und die Öffnungsklausel für künftige neue gemeinnützige Zwecke zu erweitern. Der Gesetzesentwurf mit konkreten Formulierungen stellt die Diskussion auf die Füße und zwingt Parteien, sich auf die Forderungen einzulassen statt etwa mit „das ist sehr kompliziert“ zu antworten.
Inhaltsverzeichnis
Der Gesetzesentwurf
Das „Gesetz zur Stärkung des demokratischen Engagements und einer lebendigen Zivilgesellschaft – Demokratiestärkungsgesetz – DemoStärkG“ enthält faktisch alle Forderungen der Allianz wie:
- Hinzufügung von „demokratisch“ in der Generalklausel von § 52 Abgabenordnung,
- neue gemeinnützige Zwecke und Befreiung des Zwecks Förderung des demokratischen Staatswesens; konkret formuliert (§ 52, Absatz 2),
- Klarstellungen zu politischen Tätigkeiten und Demokratie-Klausel (§ 52 Absatz 3, § 58),
- Streichung der Beweislastumkehr (§ 52, Abs. 3),
- bessere Förderung von Tätigkeiten im Ausland (Streichung § 51 Absatz 2).
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass politische Bildung ausdrücklich genannt wird als Aspekt der Förderung des demokratischen Staatswesens. Bisher wird dieser Zweck von der „Volksbildung“ abgeleitet. In der Gesetzesbegründung wird eine Definition gegeben, um die einschränkende Interpretation durch das Attac-Urteil aufzuheben.
Der Entwurf ist noch zurückhaltend bei der Definition des nötigen Abstands zu Parteien, aber bezieht hier auch kommunale Wählergemeinschaften ein. Auf diese Lücke hatte die Allianz mehrfach hingewiesen.
Über unsere Forderungen hinaus würde der Gesetzesentwurf regeln:
- Journalismus als neuer gemeinnütziger Zweck,
- Erweiterung der Öffnungsklausel für neue Zwecke,
- Erweiterung der Transparenz-Regeln im erst Ende 2020 beschlossenen Zuwendungsempfängerregister (§60b), u.a. mit der Veröffentlichung von Großspenden bei Organisationen mit mehr als 250.000 Euro Umsatz (Veröffentlichung der Herkunft, mehr als 20 Prozent der Gesamteinnahmen oder mehr als 100.000 Euro).
Sehr anschaulich (auch für Nicht-Jurist*innen) stellt eine Synopse den Gesetzesentwurf dar, die das geltende Recht und die von der GFF vorgeschlagenen Formulierungen gegenüber stellt. Den gesamten Gesetzesentwurf als PDF, inklusive Begründung und Vorblatt, gibt es hier.
In einem separaten Papier werden die Kernpunkte des Entwurfs vorgestellt:
- Klarstellung zur politischen Betätigung
- Vorschlag zur Ergänzung des Zweckekatalogs § 52 Abs. 2 AO
- Ermöglichung demokratischen Engagements zu anderen gemeinnützigen Zwecken und zur Tagespolitik
- Abschaffung der Beweislastumkehr in der Verfassungsschutzklausel und Wiederherstellung des Rechtsschutzes
- Erweiterung der Transparenzpflichten
- Ermöglichung grenzüberschreitender Kooperation gemeinnütziger Körperschaften
Das Policy-Paper
Weitere Vorschläge für die Debatte macht die GFF in einem Policy-Paper. Darin schlägt die GFF unter anderem vor, Regeln für den Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit und abgestufte Sanktionen beim Verstoß gegen Regeln der Gemeinnützigkeit zu schaffen sowie eine neue Institution einzurichten, die auf Bundesebene Zivilgesellschaft begleitet, dem Bundestag berichtet und Impulse für Gesetzesänderungen gibt.
Die sieben Vorschläge:
- Generalklausel statt Zweckekatalog
- Institutionelle Stärkung der Zivilgesellschaft und Demokratie
- Mittelverwendung und Rücklagenbildung
- Streichung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes
- Förderung der europäischen und globalen Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft
- Geregelter Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit
- Fairer Umgang mit Verstößen
Besonders spannend ist Vorschlag 1, den Zweckkatalog durch eine Generalklausel zu ersetzen. Die GFF macht hier noch keine konkreten Vorschläge, weil es dazu umfassender Diskussionen bedarf, etwa: Wer prüft auf welche Weise? Wie groß ist die Gefahr, dass politisch über „gemeinnützig“ oder nicht entschieden wird? Wären „Politische Körperschaften“ dann mit drin – oder braucht es die dennoch als Ergänzung?
In den vergangenen Jahren wurde die Idee, den Zweckkatalog zu streichen, immer wieder diskutiert, bisher ohne Ergebnis. Dass die GFF die Diskussion anschiebt, ist hilfreich.
Ob ein geregelter Ausstieg noch nötig ist, wenn das Gemeinnützigkeitsrecht nicht mehr so mangelhaft ist, dass sich Vereine nach Jahren im falschen System finden, ist ebenfalls Diskussionen wert. Im Papier gibt die GFF dazu bereits Argumente, etwa zu möglichem Missbrauch. Sie spinnt den nicht ganz zu Ende gedachten Vorschlag des Bundesrates vom Herbst 2020 weiter. Ein gutes Argument gegen eine Ausstiegsoption ist, dass damit eventuell der gesamte Sektor geschwächt würde, wenn gemeinnütziges Geld am Ende doch privat werden kann.
Auch bei einem besseren Gemeinnützigkeitsrecht bräuchte es gute Regeln für Sanktionen bei Verstößen, damit die Aberkennung der Gemeinnützigkeit nicht das fast einzige Mittel ist, das ständig drohend über allen Planungen hängt.