In einer Bundestagsdebatte am 14. April 2016 über zivilgesellschaftliches Engagement und Einschränkungen für zivilgesellschaftliche Organisationen in vielen Ländern spielte auch die Situation von Organisationen in Deutschland eine Rolle. „Eine lebendige Zivilgesellschaft ist unentbehrlich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und für die Fähigkeit einer Gesellschaft, mit neuen Herausforderungen umzugehen“ – dieser Satz steht in einem Antrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu „Zivilgesellschaftliches Engagement braucht Raum“. Darin geht es allerdings nicht um das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht, sondern um Nichtregierungsorganisationen (NGO) , deren Handlungsspielräume immer weiter eingeschränkt werden. Die Grünen beantragten, dass sich die Bundesregierung in allen Auslandskontakten für NGO und Menschenrechtsverteidiger einsetzen soll.
Der Antrag wurde am 14. April 2016 in erster Lesung im Bundestag diskutiert und Sprecher aller Fraktionen stellten sich hinter die Forderungen. Den Bezug zum Inland stellten die meisten Redner her. (Hier das gesamte Protokoll der Bundestags-Debatte, in der PDF ab Seite 118.)
Frank Schwabe sagte für die SPD, „dass sich NGOs, also Nichtregierungsorganisationen, und die Zivilgesellschaft in einer Demokratie entfalten können, ist grundlegend für die Demokratie wie die Luft zum Atmen“. Deshalb sei es wichtig, sich auch im eigenen Land jedem Versuch entgegenzustellen, die Zivilgesellschaft zu drangsalieren.
Kordula Schulz-Asche von den antragstellenden Grünen wies darauf hin, dass Zivilgesellschaft auch „hinterfragt, polarisiert, Missstände anprangert und Alternativen aufzeigt“. Einschränkungen dieser Arbeit gebe es auch in demokratischen Staaten, zum Beispiel in Ämtern und Behörden durch die Änderung der Verwaltungspraxis. „Auch bei uns, meine Damen und Herren, muss sich die Zivilgesellschaft immer wieder neu behaupten. So kämpft Attac derzeit vor Gericht gegen den Entzug des Status der Gemeinnützigkeit wegen des Vorwurfs, man mische sich zu sehr in die Tagespolitik ein.“
Anette Groth von der Linkspartei thematisierte die Spezialregelung in der Abgabenordnung, nach der Organisationen die Gemeinnützigkeit entzogen werden können, wenn sie im Verfassungsschutz erwähnt werden (§ 51 III AO). Diese Regelung diene dazu, „missliebigen NGOs die Gemeinnützigkeit zu verweigern“. Behinderung und Einschränkung von NGOs sei keineswegs nur Praxis von autoritären oder diktatorischen Regimes. Allerdings hätten „aus dem Westen finanzierte NGOs in einigen Ländern keine gute Rolle gespielt“.
Die Abschaffung dieser Regelung gehört zu den Forderungen der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“.
Als einziger Redner ging Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU) nicht darauf ein, dass auch in Deutschland Missstände existieren. Er verwies darauf, dass Deutschland im Freedom-House-Index einen der vordersten Plätze habe, trotzdem dürfe Deutschland der Raumverlust für die Zivilgesellschaft in vielen Teilen der restlichen Welt nicht gleichgültig sein. Fabritius ist nebenbei Vorsitzender des Bund der Vertriebenen.
Die Menschenrechts-Organisation Amnesty International gehört zu den Mitgliedern der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ und weist immer wieder auf den weltweiten Trend hin, Spielräume der Zivilgesellschaft einzuschränken. Amnesty erlebt, wie die Möglichkeiten von Menschenrechtsverteidigern in vielen Ländern eingeschränkt werden. In der April-Ausgabe seines Journals analysiert Amnesty: „De facto findet eine Aufspaltung in ‚gute“ (serviceorientierte) und ‚böse‘ (politische) NGOs statt. Die Depolitisierung von NGOs schreitet auf diese Weise weltweit voran. … Deutschland ist keine Ausnahme. Auch in anderen Ländern des globalen Nordens stehen kritische zivilgesellschaftliche Organisationen immer mehr unter Druck. „