Die Reaktion einzelner Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf das BFH-Urteil zur Gemeinnützigkeit von Attac ist erschreckend. Man mag die BFH-Entscheidung zur Klärung der Rechtslage begrüßen, doch diese Aussagen lesen sich wie eine hämische Attacke auf missliebige Organisationen. Sie gefährden damit den demokratischen Zusammenhalt.
Zivilgesellschaft ist gemeinnützig Beiträge
Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zur BFH-Entscheidung im Fall Attac
Zum heute vom Bundesfinanzhof bekanntgegebenen Urteil zur Gemeinnützigkeit von Attac erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 80 Vereinen und Stiftungen:
„Der Bundestag muss den Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Organisationen sichern und zügig neue gemeinnützige Zwecke ins Gesetz schreiben. Menschen schließen sich zusammen, um sich selbstlos außerhalb von Parteien und Profitinteresse für Demokratie und Gesellschaft zu engagieren. Dieses Engagement für Umweltschutz oder Gerechtigkeit mag manchmal nerven, aber führt zu besseren Entscheidungen, weil dadurch sonst ungehörte Stimmen in die politische Willensbildung einfließen.
Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.
Ministerium setzt BFH-Urteile nur selektiv im Anwendungserlass um / Politik zu Lasten zivilgesellschaftlicher Organisationen und der öffentlichen Debatte
Das Bundesfinanzministerium hat zu Fragen der Gemeinnützigkeit den Anwendungserlass zur Abgabenordnung umfassend ergänzt (BMF-Schreiben vom 31.1.2019). Insgesamt werden dabei zivilgesellschaftliche Organisationen eher mit Detail-Regulierungen belastet als dass ihnen Klarheit und Freiräume geschaffen werden. Auffällig ist, dass das Ministerium Urteile des Bundesfinanzhofs nur selektiv umsetzt.
Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 80 Vereinen und Stiftungen:
„Das Bundesfinanzministerium weigert sich, gegenüber Finanzämtern und engagierten Bürgern klarzustellen, dass Vereine und Stiftungen ihre gemeinnützigen Zwecke auch mit politischen Mitteln verfolgen können.
Könnte, sollte die „Sammlungsbewegung Aufstehen“ gemeinnützig sein? Eine Partei will die Organisation nicht sein, darum kann sie nicht die Vorteile von Parteispenden genießen. Auf den Status der Gemeinnützigkeit verzichtet sie. Das ist schade, schreibt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, in einem Gastbeitrag für den Newsletter des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE), denn dieser Status markiert eine klare Grenze zu politischen Parteien. Er legt dar, warum es kein Hindernis für die Gemeinnützigkeit ist, dass „Aufstehen“ sich politisch einmischen will, Einfluss auf Parteien nehmen will und stark von Parteipolitiker*innen geprägt ist.
Die Debatte über Handlungsspielräume und Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisationen – oder deren Begrenzung – kristallisiert sich derzeit vor allem an der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der CDU-Parteitag hat im Dezember 2018 mit drei populistischen Beschlüssen Partikular-Interessen eine Bühne gegeben. Doch die Parteispitze macht bei den unsachlichen und falschen Anwürfe gegen die DUH mit. Was zuletzt geschah:
In den ersten Monaten des Jahres verhandelten die Bundesparteien noch über die Regierungsbildung. Dabei und bei der Konstituierung des Bundestages waren Reformen des Gemeinnützigkeitsrechts Thema. Die Allianz wurde dazu angefragt und konnte Verhandlungen und Berichte zu den Verhandlungen nutzen, um die Perspektive sich politisch einmischender zivilgesellschaftlicher Organisationen darzustellen. Das Gemeinnützigkeitsverfahren von Attac wurde in diesem Jahr nicht abgeschlossen. Nach dem Beginn des Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof im Vorjahr hat Attac seine Erwiderung eingereicht. Viele Vereine und Stiftungen warten mit Spannung auf das Urteil, da ihre Arbeit davon betroffen ist. Im November 2018 kündigte der Vorsitzende Richter des Senats bei den Hamburger Tagen eine Entscheidung in Kürze an, die jedoch bis zum Jahresende nicht mehr erfolgte.
Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.
Liberale Demokratie braucht eigensinnige und einmischende Zivilgesellschaft statt Beschränkungen
Zum gestrigen Beschluss (Samstag, 8.12.2018) des CDU-Parteitags, die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) zu überprüfen, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 80 Vereinen und Stiftungen:
„Die CDU ist herzlich eingeladen, mit uns und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen über nötige Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts zu diskutieren. Doch populistische Stimmungsmache gegen einzelne, politisch missliebige Vereine sind dieser Partei nicht würdig.
Der Bundesfinanzhof wird Anfang 2019 über die Revision im Fall Attac entscheiden. Bis dahin ist Attac formell weiter nicht gemeinnützig. Zuvor hatte das Hessische Finanzgericht die Gemeinnützigkeit bestätigt. Die Revision wurde auf Betreiben des Bundesfinanzministeriums eingelegt. Während der Hamburger Tage des Stiftungs- und Non-Profit-Rechts Anfang November 2018 erklärte der Vorsitzende Richter des zuständigen Senats, das Revisions-Urteil ergehe Anfang 2019. Den aktuellen Stand zum Gemeinnützigkeits-Verfahren von Attac und die wichtigsten Texte dazu haben wir hier zusammengestellt: http://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/attac/
Wie verschieden bereits Länder innerhalb der EU die politische Tätigkeit, die politische Einmischung durch zivilgesellschaftliche Organisationen rechtlich regeln, haben der Irish Council of Civil Liberties und Civicus, ein weltweites Netzwerk für Bürgerbeteiligung, dargestellt. Anlass waren Probleme irischer Organisationen, die durch ihre Aktivitäten vom Wahlgesetze als unbeteiligte (dritte) Partei mit politischem Zweck klassifiziert wurden. Der Begriff „politischer Zweck“ ist dabei im Wahlgesetz breit angelegt. Die Untersuchung rät davon ab, diesen Begriff pauschal zu verwenden. Sie kritisiert den Rechtsrahmen in Deutschland.