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Antwort der Bundesregierung zu 551 Fragen von CDU/CSU

Die Antwort der Bundesregierung auf die 551 Fragen von CDU/CSU zu zivilgesellschaftlichen Organisationen kam fast pünktlich 15 Tage nach Veröffentlichung der Fragen. Die Bundesregierung gibt damit ein klares Statement für einen demokratischen, liberalen und demokratischen Rechtsstaat ab. Relevant ist vor allem die Vorbemerkung der Bundesregierung, in der sie darlegt, dass auch gemeinnützige Organisationen Trägerinnen von Grundrechten sind wie der Versammlungsfreiheit. Sie erinnert zudem daran, dass politische Mittel laut Urteilen des Bundesfinanzhofes (BFH) erlaubt sind. Die Regierung weist in der Vorbemerkung der Antwort darauf hin, dass es nicht ihre Aufgabe sei „allgemeine Informationen über die Aktivitäten und Kontakte von Organisationen zu sammeln, zu überwachen oder zu bewerten“.

Wenn die Regierung solche Informationen sammeln würde, müsste Deutschland ein NGO-Überwachungsstaat sein. Darauf haben wir in unserem Presse-Statement vom 12. März 2025 zu den Antworten hingewiesen. Die Bundesregierung selbst verweist darauf, dass für sie anders als für Vereine ein Gebot zu parteipolitischer Neutralität gilt und sie darum das politische Handeln anderer nicht bewertet.

Was noch so in der Antwort steht:

„Sofern die Fragesteller eine mögliche Unterstützung der in den einzelnen Fragen aufgeführten Organisationen für politische Demonstrationen oder Proteste thematisieren, ist darauf hinzuweisen, dass das Grundgesetz ein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit garantiert (Art. 8 Grundgesetz, GG). Neben natürlichen Personen können auch inländische juristische Personen des Privatrechts und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen (Art. 19 Abs. 3 GG) Träger dieses Grundrechts auf Versammlungsfreiheit sein.“

Darauf hatte Allianz-Vorstand Stefan Diefenbach-Trommer bereits 2021 in einem Aufsatz für die Zeitschrift für Vereins- und Stiftungswesen (ZStV 2021, 152 – „Nötige Unterscheidungen zur politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften: Zweck, Mittel, Haltung und Tagespolitik“) hingewiesen. Im Finanzministerium wird gelesen. Natürlich auch die BFH-Urteile. In der Antwort steht nämlich auch:

„Hinsichtlich der Gemeinnützigkeit hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit seiner Entscheidung vom 10. Januar 2019 (V R 60/17) zum politischen Engagement gemeinnütziger Organisationen die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt, dass gemeinnützige Organisationen politisch aktiv sein dürfen.“

Vielleicht einer der wichtigsten Sätze in der Antwort, obwohl eigentlich banal:

„Die Bundesregierung sieht keine Anhaltspunkte für die in der Kleinen Anfrage enthaltene Behauptung, wonach die geförderten ‚NGOs eine Schattenstruktur‘ bildeten.“

Nicht nur lustig die  Retourkutsche in Antwort 31:

„Im Übrigen weist die Bundesregierung darauf hin, dass sie aufgrund des parteipolitischen Neutralitätsgebots grundsätzlich keine Bewertung hinsichtlich der politischen Ausrichtung zivilgesellschaftlicher Organisationen vornimmt.“

In den Antworten hat die Bundesregierung stets die gleichlautenden Fragen zu verschiedenen Organisationen zusammengefasst und verweist weitgehende auf die Vorbemerkung, nicht vorliegende Informationen bzw. die Zuständigkeit der Länder für die Finanzverwaltung:

„Nach der verfassungsmäßigen Ordnung obliegt die Beurteilung steuerlicher Einzelfälle der jeweils zuständigen Landesfinanzbehörde. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.“

Zur finalen Antwort gehört eine tabellarische Aufstellung von Bundesfördermitteln für die genannten 17 Organisationen. Die Tageszeitung „Welt“ hatte vor der offiziellen Veröffentlichung der Antwort eine eigene Tabelle erstellt, in der sie suggeriert, die Regierung habe zu Fördermitteln für Campact oder Omas gegen Rechts keine Angaben gemacht. Das ist unwahr. Tatsächlich steht in der Antwort „Keine Treffer bei Abfrage“. Dies bedeutet, dass es offensichtlich im Jahr 2025 bisher keine Bundes-Fördermittel gab – weil in 14 Tagen nicht jeder Fehler auszuschließen ist, formuliert die Regierung zurückhaltend.

Weitere Veröffentlichungen rund um die 551 Fragen

Was machen CDU und CSU nun in Koalitionsverhandlungen?

Völlig klar ist: Die 551 Fragen von CDU/CSU waren unbotmäßig und aus ihnen spricht ein tiefes Misstrauen gegen die staatliche Verwaltung und gegen unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen. In Wirklichkeit waren es sogar mindestens 570 Fragen:

Wenn es CDU/CSU mit den Prämissen hinter ihren Fragen ernst wäre, müsste sie entspre­chende Vorschläge für Gesetzesänderungen vorlegen. Das hat sie aber bereits vor vier Jah­ren nicht getan, als sie mit der SPD eine Regierung bildete. Damals wurde mit dem Jahres­steuergesetz 2020 das Gemeinnützigkeitsrecht geändert. Die von der SPD gewünschte Klar­stel­lung zu politischen Mitteln blockierte die Union allerdings.

Zwei Jahre zuvor, im Dezember 2018, hatte die CDU auf einem Bundesparteitag beschlossen, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) solle den Status der Gemeinnützigkeit verlieren und die Möglichkeit, Verbandsklagen zu erheben. Tatsächliche politische Vorstöße folgten nicht.

Die Union brüllt also laut, um eine Stimmung aus ihrer Mitgliedschaft aufzunehmen. Einen politischen Flurschaden, eine Veredelung von Verschwörungsmythen nimmt sie dabei in Kauf. Dass solche Ziel-Markierungen zu physischen Angriffen auf Organisationen oder Personen führen können, ist ihr vielleicht nicht bewusst – obwohl es solche Angriffe auf zivilgesellschaftlich aktive Personen schon lange vor dem rechtsextremistisch motivierten Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke gab.

Wenn CDU/CSU ihr eigenes Brüllen ernst nehmen würden, müssten sie in Koalitionsverhandlungen ein „NGO-Gesetz“ vorschlagen, das „staatlich geförderte Organisationen“ definiert und diesen dann umfassende Transparenz- und Kontrollpflichten auferlegt – Bürokratiebelastung also. Spätestens bei der Formulierung so eines Gesetzes würden die Unions-Politiker:innen merken, dass etwa Regeln zur Anzahl von Parteimitgliedern in Vereinsvorständen auch einen typischen Sportverein treffen würden. Sie würden es nicht tun.

Zugleich ist unwahrscheinlich, dass sich CDU/CSU diesmal mit der SPD schon in Koalitionsverhandlungen auf umfassende Änderungen am Vereins- oder Gemeinnützigkeitsrecht einigen. Die Vorhaben der beiden Parteien liegen zu weit auseinander (siehe hier zum Wahlprogramm von SPD, hier zu dem von CDU/CSU). Aber: Auch die Union hat Wünsche ans Gemeinnützigkeitsrecht. Angefangen bei der Anhebung von steuerlichen Vergünstigungen für Ehrenamtliche (Anhebung Ehrenamtspauschale) bis zu ihren Vorschlägen zur Bürokratieentlastung. Im Koalitionsvertrag könnte ein Satz wie „Wir entlasten Vereine von bürokratischem Aufwand und fördern das ehrenamtliche Engagement.“ stehen, aus dem im konkreten Regierungshandeln sogar Gutes entstehen könnte.

Vielleicht verstehen die drei beteiligten Parteien in ihren Verhandlungen gar, dass mögliche illegitime Parteien-Förderungen nicht über das Gemeinnützigkeitsrecht oder Vereinsrecht geregelt werden können, sondern nur über Regelungen zur Parteienfinanzierung. Leider wird dieses Verstehen in den Koalitionsverhandlungen nicht ganz leicht, da Fragen von Gemeinnützigkeitsrecht, Parteienrecht und Ehrenamt auf mindestens sechs Verhandungs-Gruppen verteilt ist:

  • „Demokratie“ (Demokratiefördermittel) in AG 7
  • „Menschenrechte“ in AG 12
  • „Ehrenamt“ in AG 10
  • „Bürokratieentlastung“ in AG 9
  • Gemeinnützigkeit bei „Steuern“ in AG 16
  • „Wahlrecht“ in AG 17

Besser wäre gewesen, die Parteien wären dem Appell für gebündelte Demokratiepolitik gefolgt – aber sie können das in ihren Verhandlungen noch erkennen und dafür entsprechende Strukturen in Bundestag und Regierung schaffen – etwa einen Ausschuss für Demokratie- und Engagementpolitik mit entsprechenden Zuständigkeiten.

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