Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ stellt vor allem Forderungen an die Politik, aber begleitet auch seit Beginn den Rechtsstreit um die Gemeinnützigkeit von Attac. Dieses Verfahren zeigt die Probleme des geltenden Rechts auf und hat Auswirkungen auf die politische Debatte. Deshalb finden Sie hier Informationen zum aktuellen Stand.
Im Fall Attac gab es Anfang 2021 nach sieben Jahren Rechtsstreit eine vorerst endgültige Entscheidung über die Gemeinnützigkeit des Trägervereins. Bis dahin war der Status von Attac offen. Die Gemeinnützigkeit war nicht rechtskräftig aberkannt, aber auch nicht positiv beschieden. Der Bundesfinanzhof hat 2021 die Revision von Attac zurückgewiesen. Damit ist der Rechtsweg gegen den aberkennenden Bescheid des Finanzamtes vom April 2014 (für die Jahre 2010 bis 2012) ausgeschöpft. Attac hat dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt, die nach wie vor verhandelt werden muss. Ein Starttermin hierfür ist bisher nicht bekannt.
Inhaltsverzeichnis
10 Jahre andauernder Rechtsstreit um Gemeinnützigkeit von Attac Gemeinnützigkeit
Am 14. April 2024 jährt sich der Rechtsstreit von Attac um seine Gemeinnützigkeit zum zehnten Mal. Das globalisierungskritische Netzwerk agiere zu politisch, begründete das Finanzamt Frankfurt seinen Bescheid vom 14. April 2014. Insbesondere der Einsatz für eine Regulierung der Finanzmärkte, eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögensabgabe seien nicht gemeinnützig, hieß es vor zehn Jahren.
Im Zuge dessen veranstaltet Attac einige Tage vorher eine Pressekonferenz, in der auf den Rechtsstreit und die Bedeutung des Falls für viele andere zivilgesellschaftliche Vereine seitdem geblickt wird. Wann das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die noch offene Verfassungsbeschwerde verhandelt und entscheidet, ist noch offen.
Akteneinsicht zeigt, dass Bundesfinanzministerium Verfahren betrieb (Dezember 2022)
Dass das Bundesfinanzministerium den Fall Attac mit betrieb, hat Attac durch die Einsicht in Akten nachgewiesen. Erst am Dienstag, 12. Dezember 2022, hat Attac vor dem Verwaltungsgericht Berlin das Recht auf weitere Akteneinsicht erstritten. Das Ministerium ist gegen die Entscheidung in die nächste Instanz gegangen.
Ende Februar 2021: Verfassungsbeschwerde eingelegt
Gegen das letztinstanzliche Urteil des BFH hat Attac Ende Februar 2021 Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die wird beim Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 1 BvR 697/21 geführt. Das globalisierungskritische Netzwerk sieht sich in seinen Grundrechten verletzt, insbesondere in der Vereinigungsfreiheit (Artikel 9 des Grundgesetzes) in Verbindung mit der Meinungsfreiheit (Artikel 5) sowie dem Gleichheitssatz (Artikel 3) und dem Demokratieprinzip (Artikel 20). In der Klageschrift betont Attac, welche wichtige Rolle das Grundgesetz zivilgesellchaftlichen Organisationen neben politischen Parteien im Prozess der Willensbildung gibt. Wann das Bundesverfassungsgericht entscheidet und der Fall in Karlsruhe verhandelt wird, ist im Frühling 2024 noch offen.
- Mitteilung von Attac vom 1. März 2021
- Begründung der Verfassungsbeschwerde (PDF, 80 Seiten)
- Statement der Allianz
Abweisung Revision BFH vom 10. Dezember 2020
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 28. Januar 2021 seinen Beschluss veröffentlicht, die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts abzulehnen. Attac hat daraufhin seine Ankündigung bekräftigt, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Dazu sind regulär vier Wochen Zeit. Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung sein vorheriges Urteil bekräftigt, aber kaum zusätzlich erläutert. Er weist lediglich – wohl auch in Reaktion auf das Gutachten des Jura-Professors Sebastian Unger – darauf hin, dass gemeinnützige Körperschaften „unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung nur Einfluss nehmen kann, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke dient“.
- Beschluss des BFH vom 10. Dezember 2020, Aktenzeichen V R 14/20.
- Statement der Allianz zum Urteil
- Pressemitteilung von Attac
- Pressemitteilung des BFH
Urteil Finanzgericht vom 26. Februar 2020
Das Hessische Finanzgericht hat am 26. Februar 2020 die Klage von Attac auf Gemeinnützigkeit abgewiesen, da es der vorherigen Revisionsentscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) mit einer sehr engen Auslegung politischer Bildung folgen musste. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte Anfang 2019 nicht über die Gemeinnützigkeit von Attac entschieden, sondern grundsätzliche Auslegungen vorgegeben, auf dessen Basis das Finanzgericht neu ermitteln und entscheiden musste. Das Gericht hat dabei dieses Revisionsurteil kritisiert und erneute Revision zugelassen – die Revision beim Bundesfinanzhof hat Attac mittlerweile eingelegt. Mit einer Entscheidung ist frühestens 2021 zu rechnen. Attac hat angekündigt, Verfassungsbeschwerde einzulegen, sollte es im Revisionsverfahren verlieren.
- Hier das aktuelle Urteil des Hessischen Finanzgerichts (Az. 4 K 179/16)
- Unser Statement zum aktuellen Urteil
- Pressemitteilung des Finanzgerichts zum Urteil vom 26. Februar 2020
- Pressemitteilung von Attac vom 8. Juni 2020 zur eingelegten Revision inklusive Revisionsbegründung
Entscheidung Bundesfinanzhof vom 10. Januar 2019
Der Bundesfinanzhof hatte am 26. Februar 2019 während seiner Jahrespressekonferenz mitgeteilt, dass er bereits am 10. Januar der Revision des Finanzamtes gegen das für Attac positive Urteil des Finanzgerichts stattgegeben habe.
- Hier das Urteil mit dem Aktenzeichen V R 60/17
- Unsere Analyse des Urteils
- Antworten zu Folgen für die Gemeinnützigkeit anderer Organisationen
- Erstes Statement der Allianz zum Urteil
Erst keine zwei Stunden vor der Veröffentlichung wurde das Urteil Attac per Fax zugestellt (Urteils-PDF bei Attac). Das Urteil ist noch keine endgültige Entscheidung, da nun erneut das Hessische Finanzgericht die tatsächlichen Umstände ermitteln muss. Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung dazu enge Richtlinien aufgestellt, die gemeinnützige Zwecke sehr eng auslegen. Wenn alle Finanzämter diese Interpretation von Bildung umsetzen, stehen wohl tausende Vereine vor dem Entzug der Gemeinnützigkeit.
Das Bundesfinanzministerium hat im Mai 2019 das BFH-Urteil amtlich veröffentlicht und dadurch alle Finanzämter angewiesen, das Urteil anzuwenden. Im Juni wird der erste Fall bekannt, in dem einen Verein mit Bezug auf das Attac-Urteil die Gemeinnützigkeit entzogen werden soll.
Urteil Finanzgericht vom November 2016
Das Hessische Finanzgericht in Kassel hatte Attac Recht gegeben (Aktenzeichen 4 K 179/16.) Gegen das Urteil hat das Finanzamt auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte dieser Beschwerde am 14. Dezember 2017 stattgegeben. Damit begann ein Revisionsverfahren. Das Urteil des Finanzgerichts wurde daher nicht rechtskräftig.
- Dezember 2017: Der Bundesfinanzhof nimmt die Nichtzulassungsbeschwerde an. Das Finanzamt legte Ende Februar 2018 seine Revisionsbegründung vor. Das Bundesfinanzministerium ist dem Verfahren als Beteiligter beigetreten und hat im Juni 2018 eine umfangreiche Stellungnahme vorgelegt.
- Juli 2017: Das Finanzamt begründet die Nichtzulassungsbeschwerde – überraschend ist, welche Teile des Urteils nicht angegriffen werden.
- Mai 2017: Das Finanzamt legt auf Weisung des Bundesfinanzministeriums Nichtzulassungsbeschwerde ein. Das Ministerium erklärt dies mit einer angeblichen „steuerlichen Trennlinie“ zwischen Gemeinnützigkeit und Politik.
- Mai 2017: Das Finanzgericht veröffentlicht sein Urteil zugunsten Attac.
- November 2016: Attac gewinnt vor dem Hessischen Finanzgericht.
- Juni 2016: Attac reicht Klage ein.
- Februar 2016: Das Finanzamt weist den Einspruch von Attac ab.
Weitere Informationen
Weitere Informationen bei Attac: https://www.attac.de/kampagnen/gemeinnuetzigkeit/gemeinnuetzigkeit
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