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Autor: Stefan Diefenbach-Trommer

SPD legt Gesetzentwurf zu Gemeinnützigkeit vor

Die SPD-Fraktion hat vergangene Woche im Hessischen Landtag einen Antrag eingebracht, mit dem unsere beiden Hauptforderungen umgesetzt würden, nämlich einerseits die Aufnahme zusätzlicher Zwecke wie Förderung der Menschenrechte, Durchsetzung der Grundrechte oder sozialer Gerechtigkeit, andererseits die Klarstellung, dass gemeinnützige Organisationen sich selbstverständlich auch politischer Mittel zur Verfolgung ihrer Zwecke bedienen können. Damit erkennt die SPD unsere Forderungen als richtig und notwendig an.

Der Antrag (Drucksache 19/3360) soll am 19. Mai im Landtag behandelt werden. Voraussichtlich wird er ohne Aussprache in den zuständigen Fachausschuss verwiesen. Anzunehmen ist, dass sich die SPD als Oppositionspartei damit im Hessischen Landtag nicht durchsetzen wird. Wir gehen davon aus, dass die SPD die Forderungen auch an anderer Stelle erhebt, etwa in den Ländern, in denen sie als Regierungspartei beteiligt ist oder in Gesprächen mit ihren Koalitionspartnern von CDU und CSU im Bundestag bzw. in der Bundesregierung.

Mit dem Antrag wird die Landesregierung aus CDU und Grünen aufgefordert, sich auf Bundesebene für die formulierte Gesetzesänderung einzusetzen sowie dafür, im Anwendungserlass zur Abgabenordnung diese Formulierung aufzunehmen: „Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit mit einer politischen, aber nicht parteipolitischen Zielsetzung verbunden ist.“ Die Einschränkung zur parteipolitischen Tätigkeit findet sich bereits im Gesetz in §55, Absatz I, Ziffer 1, Satz 3.

(Siehe zu diesem Antrag auch: http://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/strachwitz-debatte-ueber-gemeinnuetzigkeitsrecht-muss-gefuehrt-werden/)

6.6. in Berlin: Fachgespräch Gemeinnützigkeit im Bundestag

Am Montag, 6. Juni 2016, veranstaltet die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ein öffentliches Fachgespräch zu Reformbedarf im Gemeinnützigkeitsrecht. Die Veranstaltung findet von 13 bis 16 Uhr im Bundestag statt und ist öffentlich, eine Anmeldung ist erforderlich.

Die Grünen flankieren mit dem Fachgespräch ihre Große Anfrage zu Gemeinnützigkeit und mehr. Im Fachgespräch geht es vor allem einerseits um die Abgrenzung zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien, zwischen interessengeleiteter und selbstloser Lobbyarbeit und auch zwischen demokratischem Engagement und demokratiefeindlichen Organisationen; zum anderen geht es um Transparenzforderungen an gemeinnützige und andere politische Akteure, da vor allem um Stiftungen.

Als Fachpersonen sind eingeladen:

  • Stefan Diefenbach-Trommer, Koordinator der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“
  • Michael Sell, Leiter der Steuerabteilung im Bundesministerium der Finanzen
  • Michael Ernst-Pörksen,  Dipl. Volkswirt und Experte für Gemeinnützigkeitsrecht
  • Prof. Dr. Sophie Lenski, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht, Medienrecht, Kunst- und Kulturrecht an der Universität Konstanz
  • Prof. Dr. Stephan Schauhoff, Fachanwalt für Steuerrecht, da vor allem für Gemeinnützigkeit, und Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

Spannend wird vor allem die Auseinandersetzung mit Michael Sell vom Bundesfinanzministerium, denn seine Steuerabteilung ist der Auffassung, dass gemeinnützige und politische Zwecke zu unterscheiden seien. Wer sich politisch engagieren möchte, könne dies in Parteien und Wählergemeinschaften tun.

Bundestag: Große Anfrage zu Gemeinnützigkeit und politischer Willensbildung

Mit einer Großen Anfrage greift die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen unser Anliegen auf, Rechtssicherheit zu schaffen für gemeinnützige Organisationen, die sich selbstlos und zur Förderung der Allgemeinheit auch an der politischen Willens­bildung beteiligen. Im umfangreichen Fragenkatalog thematisieren die Grünen die Un­möglichkeit, gemeinnützige und politische Zwecke zu unterscheiden. Sie nehmen in den Fokus die Steuerbegünstigung für andere politische Akteure, die weder Parteien noch gemeinnützig sind. Dabei thematisieren sie auch die Intransparenz unter ande­ren von Mittelherkunft und -verwendung und fragen, ob Vereine wie Attac diskriminiert werden.

Die Anfrage zu „möglichen Gefährdungen des gleichberechtigten Einflusses aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger auf die politische Willensbildung und zu weiteren Punkten des Gemeinnützigkeits- und Vereinsrechts“ wird in diesen Tagen an die Bun­desregierung weitergeleitet, eine Vorabfassung ist hier verfügbar.
Aktualisierung 17. Mai 2016: Die Große Anfrage ist als Drucksache 18/8331 erfasst.

Bundestag beschäftigt sich mit Lobbyregister

Der Bundestag beschäftigt sich am Mittwoch, 11. Mai 2016, mit der Forderung nach einem Lobbyregister. In einem solchen Register würden alle Organisationen, Firmen und Personen erfasst, die mit einem maßgeblichen Anteil ihrer Zeit oder ihres Budgets versuchen Politik und Gesetzgebung zu beeinflussen. Dazu führt der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung von 14 bis 17 Uhr eine öffentliche Anhörung durch.

Diese Forderung erscheint uns deutlich sinnvoller als die öfter gehörte Antwort auf unsere Forderungen, dass politisch tätige gemeinnützige Organisationen dann Herkunft und Verwendung ihrer Mittel transparent machen müssten wie Parteien. Denn wer verdeckt Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen möchte, könnte dies dann weiter intransparent tun, indem er oder sie auf den Gemeinnützigkeitsstatus verzichtet. Eigennützige Interessen können sowieso nicht als gemeinnützig gefördert werden – Gemeinnützige vertreten nicht eigene Interessen, sondern vertreten selbstlos Interessen zum Wohle der Allgemeinheit, zum Beispiel von ungehörten Minderheiten oder von Gruppen, die keine Stimme haben. Das können zum Beispiel künftige Generationen sein oder auch Fledermäuse.

Ein Lobbyregister dagegen würde alle Akteure erfassen – sicher auch einige gemeinnützige Vereine und Stiftungen.

Tagesordnung und Stellungnahmen zur Anhörung sind im Internet auf der Bundestags-Website abrufbar.

Spiegel: Rechtspopulistische Vereine gemeinnützig?

Das Magazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner Ausgabe vom 30. April 2016 über mehrere gemeinnützige Vereine, die von der rechtspopulistischen Politikerin Beatrix von Storch betrieben werden.  Insbesondere geht es um den Verein „Zivile Koalition“. Der Spiegel kritisiert in dem Bericht unter anderem den lässigen Umgang mit Buchhaltung und Vermögen der Vereine, dass Verwendungszwecke von Spenden unklar sind und dass mit systematischem Fundraising Politaktivismus finanziert werde. Zudem stellt er die Selbstlosigkeit der Vereine in Frage, da mit ihnen durch Mietzahlungen Immobilien der Storch-Familie finanziert werden.

Dass Vereine Spenden sammeln, um damit ihre gemeinnützigen Zwecke auch mit politischen Mitteln zu finanzieren, dass sie dazu auch Fachpersonal beschäftigen und professionell auftreten, sollte in einer Demokratie selbstverständlich möglich sein. Was der Spiegel beschreibt, stellt allerdings die Gemeinnützigkeit der Vereine aus anderen Gründen in Frage.

Bundestag debattiert Freiraum für zivilgesellschaftliche Organisationen

In einer Bundestagsdebatte am 14. April 2016 über zivilgesellschaftliches Engagement und Einschränkungen für zivilgesellschaftliche Organisationen in vielen Ländern spielte auch die Situation von Organisationen in Deutschland eine Rolle. „Eine lebendige Zivilgesellschaft ist unentbehrlich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und für die Fähigkeit einer Gesellschaft, mit neuen Herausforderungen umzugehen“ – dieser Satz steht in einem Antrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu „Zivilgesellschaftliches Engagement braucht Raum“. Darin geht es allerdings nicht um das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht, sondern um Nichtregierungsorganisationen (NGO) , deren Handlungsspielräume immer weiter eingeschränkt werden. Die Grünen beantragten, dass sich die Bundesregierung in allen Auslandskontakten für NGO und Menschenrechtsverteidiger einsetzen soll.

Der Antrag wurde am 14. April 2016 in erster Lesung im Bundestag diskutiert und Sprecher aller Fraktionen stellten sich hinter die Forderungen. Den Bezug zum Inland stellten die meisten Redner her. (Hier das gesamte Protokoll der Bundestags-Debatte, in der PDF ab Seite 118.)

Attac: Finanzamt bremst demokratisches Engagement

Allianz fordert Gesetzesänderung: Gemeinnützigkeitsrecht muss Attac und anderen aktiven Vereinen Sicherheit geben

Das Finanzamt Frankfurt verweigert dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac weiterhin die Gemeinnützigkeit. Wie Attac jetzt mitteilte, hat das Finanzamt den Einspruch des Trägervereins gegen den aberkennenden Bescheid abgelehnt.

„Bund und Länder müssen das Gemeinnützigkeitsrecht sofort ändern. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die zu einer starken Demokratie beitragen, dürfen nicht länger Gefahr laufen, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Es gibt einen gesellschaftlichen und politischen Konsens, dass zivilgesellschaftliches Engagement auch politisch sein darf. Das Gesetz bildet diesen Konsens nicht ab, es ist unklar und widersprüchlich“, erklärt dazu Stefan Diefenbach-Trommer, Koordinator der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“.

Süddeutsche: Alles Gemeinwohl ist politisch

Wir beschäftigen uns mit Gemeinnützigkeit. Das ist ein Thema für Finanzämter und Steuerrechtlerinnen – scheinbar. Doch es geht um viel mehr. Es geht darum, wie diese Gesellschaft, wie Demokratie funktioniert. Wer auf Entscheidungen Einfluss nimmt. Wie sich Bürgerinnen und Bürger organisieren können. Es geht auch darum, wie die Macht finanzstarker Akteure in der politischen Willensbildung in ein Gleichgewicht mit selbstlosen Akteuren, die zum Wohle der Allgemeinheit handeln, gebracht werden können.

Diese Ebene hat sehr fundiert und engagiert Andreas Zielcke in der Süddeutschen Zeitung untersucht. Unter der Überschrift „Aktivismus unerwünscht“ kritisiert der Journalist in der Ausgabe vom 15. Februar 2016, dass im Gemeinnützigkeitsrecht ein Staatsverständnis vorherrsche, dass den Wandel des Gemeinwesens hin zu mehr Demokratie verkenne. In diesem Verständnis würden nur Parteien als politische Gruppierungen subventioniert. „Doch je weiter Demokratisierung voranschreitet, desto mehr verschiebt sich auch die Definitionsherrschaft darüber, was unter Gemeinwohl zu verstehen ist, vom Staat und politischem Establishment auf die, die es angeht“, schreibt Zielcke, und kommt zum Schluss: „Die Devise ‚alles Gemeinwohl ist politisch‘ versteht sich, müsste man denken, mehr denn je von selbst.“

Debatte nimmt Fahrt auf: Zwei Branchen-Veröffentlichungen

Die Debatte über Gemeinnützigkeit und politische Willensbildung nimmt im neuen Jahr Fahrt auf. Zwei große Medien der NGO-Branche nehmen sich des Problems an

„Lebe lieber unpolitisch“ überschreibt die Zeitschrift „Die Stiftung“ ihre Titelgeschichte der Januar-Ausgabe über die Schwierigkeiten gemeinnütziger Organisationen mit gesellschaftlicher Einmischung. Die Situation und die Forderungen der Allianz werden fundiert und gut lesbar aufbereitet. Die Zeitschrift konstatiert eine „rechtliche Grauzone“, wenn sich zivilgesellschaftliche Organisationen in politische Entscheidungsprozesse einmischen. Herausgeber Gregor Jungheim schreibt im Editorial, dass die verschiedenen Folgen von Einmischung „einen schalen Beigeschmack“ hinterlassen.

Gemeinnützige sind selbstlos, ihre Empörung ist nicht zweckfrei

Bereits um den Jahreswechsel 2015/2016 berichteten mehrere Medien über Campact und die Forderung eines CDU-Bundestagsabgeordneten. Der hatte verlangt, die Gemeinnützigkeit von Campact zu prüfen, da der Verein Politik betreibe Der CDU-Politiker verwendete dafür bereits im Laufe des Jahres 2015 den Begriff „Empörungsindustrie“. Damit zielte er auf gemeinnützige zivilgesellschaftliche Organisationen, die gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP Stellung bezogen hatten.

Der Begriff „Empörungsindustrie“ ist perfide, denn er stellt eine der Säulen der Gemeinnützigkeit in Frage. Gemeinnützig ist, wer selbstlos das Wohl der Allgemeinheit fördert – das ist ein entscheidender Unterschied zu Industrie-Lobbyisten, die im Interesse ihrer Auftraggeber oder der eigenen Firma handeln. Genau dies ist bei gemeinnützigen Organisationen nicht der Fall.