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Autor: Stefan Diefenbach-Trommer

Warum die Etablierung eines „politischen Vereins“ keine Lösung ist

Bis in die 80-er Jahre waren „Politische Vereine“ steuerbegünstigt – und reichten die eingesammelten Spenden direkt an Parteien weiter. Um diesen Missbrauch zu stoppen, wurde damals das Spendenrecht für Parteien und für gemeinnützige Organisationen überarbeitet, wurden politische Zwecke zunächst gestrichen. Heute mischen gemeinnützige Organisationen auch politisch mit und bekommen deshalb Gemeinnützigkeits-Probleme. Könnte die neue Etablierung eines Status für „Politische Vereine“ eine Lösung sein? Nein, denn dadurch würde der gemeinnützige Sektor entpolitisiert, dabei sind Gemeinnützigkeit und (auch) politisches Engagement untrennbar. Argumente dazu hat Stefan Diefenbach-Trommer in seinem Beitrag für den Newsletter des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) notiert.

Tag der Menschenrechte: Menschenrechts-Arbeit ist gemeinnützig

Vor 67 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet, darum wird heute der Tag der Menschenrechte begangen. Die Menschenrechte sind weder global noch in Deutschland vollständig umgesetzt, darum schließen sich Menschen in zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen, um für diese Rechte zu streiten – und nehmen dabei selbst ihre Menschenrechte in Anspruch. Doch im gesetzlichen Katalog der gemeinnützigen Zwecke fehlt die Durchsetzung der Menschenrechte.

Das ist absurd, da die Arbeit für Menschenrechte unbestritten die Allgemeinheit fördert, selbstlos erfolgt und sinnvoll ist. Menschenrechte sind nicht der einzige Zweck, der allgemein als förderwürdig gilt, für den Vereine aber nicht vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt werden können. Es fehlen zum Beispiel auch Soziale Gerechtigkeit oder die Gleichstellung aller Geschlechter.

Ein Verein, der sich für Menschenrechte einsetzt und als gemeinnützig anerkannt werden will, kann die Menschenrechte darum nur nebenbei erwähnen. Als Satzungszweck muss er sich der Aufklärung über Menschenrechte widmen oder der Entwicklungszusammenarbeit, dann also nur der Menschenrechte im Ausland. Von der Bundesregierung zu fordern, Menschenrechte durchzusetzen, kann daher vom Finanzamt moniert werden als Tätigkeit außerhalb der Satzungszwecke – die Gemeinnützigkeit ist in Gefahr.

Der Bundestag muss das Gemeinnützigkeitsrecht so ändern, dass Vereine Ziele wie Menschenrechte oder soziale Gerechtigkeit ohne Schwierigkeiten verfolgen und dafür auch mit politischen Mitteln eintreten können.

30.11. in Wiesbaden: Fachgespräch bei den Grünen

Die Landtagsfraktion der Grünen in Hessen lädt zu einem Fachgespräch über Probleme und Reformbedarf des Gemeinnützigkeitsrechts ein, mit auf dem Podium sitzt Stefan Diefenbach-Trommer, Koordinator der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, außerdem Prof. Jürgen Marten von Transparency International, Tim Maciejewski (Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen an der Bucerius Law School in Hamburg) und Lisa Paus, steuerpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion.

Die Veranstaltung am Montag, 30. November 2015, dauert von 16 bis 19 Uhr, Ort ist Raum 118S im Hessischen Landtag (Schlossplatz, Wiesbaden).

Bündnis 90/Die Grünen knüpfen mit ihrer Veranstaltung auch an den Entzug der Gemeinnützigkeit von Attac und Dona Carmen durch das Finanzamt Frankfurt an und stellen fest, „dass das Gemeinnützigkeitsrecht auf Bundesebene aktuelle gesellschaftliche Bedürfnisse möglicherweise nicht mehr widerspiegelt.“ Das Verständnis von Gemeinnützigkeit soll aus unterschiedlicher Sicht betrachtet werden, Reformmöglichkeiten sollen diskutiert werden. Dabei setzt die Landtagsfraktion für das Gespräch einen Schwerpunkt auf die Abgrenzung zu interessengeleiteter Lobbyarbeit zum Beispiel durch Wirtschaftsverbände sowie zu demokratiefeindlichen und extremistischen Positionen. Diskutiert werden soll auch über Transparenz-Standards für gemeinnützige Institutionen.

Um Anmeldung wird gebeten unter Telefon 0611-350 598.

Flüchtlingshilfe ist gemeinnützig und politisch

Gemeinnütziges Engagement ist politisch – eines der besten Beispiele dafür ist das aktuelle Engagement für Zuflucht suchende Menschen: Tausende engagieren sich für hier ankommende Flüchtende. Das ist zunächst klassisch gemeinnützig („Förderung der Hilfe für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte, für Flüchtlinge“), auch, wenn es außerhalb von Vereinen stattfindet. Doch das Motiv ist oft politisch. Und aus konkreter Hilfe entstehen schnell politische Forderung: Ob an die Arbeit einer Kommune oder einer Landesregierung oder auch zu gesetzlichen Regelungen für Flüchtende.

Wenn also eine beteiligte Organisation aus der Nothilfe heraus politische Forderungen stellt oder sich an der Debatte zu einer angemessenen Rechtslage beteiligt, läuft sie Gefahr, dass das zuständige Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkennt. Der Vorwurf würde lauten, die Organisation betätige sich zu politisch und greife in die Tagespolitik ein.

Wenn es beim Engagement (auch) darum geht, dass Flüchtende etwa wegen ihrer Hautfarbe ausgegrenzt oder benachteiligt werden, wird es mit der Gemeinnützigkeit ebenfalls schwierig – denn der Schutz und die Durchsetzung von Menschenrechten stehen derzeit nicht im Katalog gemeinnütziger Zwecke der Abgabenordnung.

Diese Beispiele zeigen, dass unsere Forderungen der politsichen und gesellschaftlichen Realität entsprechen.

Vereinsverbot gegen Rechtsextremisten

Der Hessische Innenminister hat den Verein „Sturm 18“ gestern mehr als anderthalb Monate nach seiner Eintragung verbotenZeitungsberichten zufolge wollte der Neonazi-Verein auch die Gemeinnützigkeit erreichen – ob ein Antrag auf Anerkennung gestellt oder beschieden wurde, ist uns nicht bekannt.

Dass Verfassungsfeinde steuerbegünstigt Spenden sammeln könnten, wird gelegentlich eingewandt gegen unsere Forderungen. Doch bei den gemeinnützigen Zwecken finden Neonazis schon heute ihre Nischen: Sie können politische Bildung betreiben, sich der Brauchtumspflege widmen, einen Sportverein aufmachen oder Strafgefangene unterstützen. Das Gemeinnützigkeits-Recht setzt eine andere Grenze, die auch künftig gelten soll: Gemeinnützig kann nicht sein, wer gegen die Rechtsordnung verstößt (Abschnitt 55 AEAO zu § 63, Ziffer 5) und wer gegen die Völkerverständigung und die Verfassung arbeitet (§ 51 III AO). Zudem sind wir der Auffassung, dass Hetze gegen Menschen nicht die Allgemeinheit fördern kann.

Die gleichen Voraussetzungen gelten für ein Vereinsverbot. Und wie der aktuelle Fall zeigt, verbieten die Behörden rechtsextreme Vereine, statt sich nur mit ihrer Gemeinnützigkeit zu beschäftigen. Bis dahin braucht es allerdings etwas Zeit, um das Verbot begründen zu können. Den Finanzämtern würde es kaum anders gehen. Letztlich sind solche Vereine meist Tarnvereine. Ihr Treiben entspricht nicht dem, was sie in ihrer Satzung behaupten. Diese „tatsächliche Geschäftsführung“ ist dann für Finanzämter der Anlass, die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Das geht allerdings nur bei rückwirkender Betrachtung der Aktivitäten, ebenso, wie die Polizei für Straf- oder Verbotsverfahren zunächst Indizien und Beweise sammeln muss.

Verboten werden können übrigens nicht nur eingetragene Vereine. Das Vereinsgesetz, das das Verbot regelt, meint damit alle Personenzusammenschlüsse. Die Innenminister können also lange vor einer Vereinseintragung und einer beantragten Gemeinnützigkeit einschreiten.

Wir stellen ein: Koordinator/in (halbe Stelle)

Die Bewerbungsfrist ist abgelaufen, wir nehmen keine Bewerbungen mehr an!

Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ ist ein Zusammenschluss von mehr als 50 Vereinen und Stiftungen, die ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht fordern. Zivilgesellschaft ist gemeinnützig – doch Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich regelmäßig politisch äußern, sind ständig der Gefahr ausgesetzt, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Die Allianz fordert gesetzliche Klarstellungen, um Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen zu schaffen. Um das zu erreichen, führt die Allianz Gespräche mit der Politik und erweitert stetig ihren Mitgliederkreis. Die Arbeit der Allianz wird von zwei Personen koordiniert.

Eine der beiden Koordinatoren-Stellen ist neu zu besetzen. Dafür sucht die Allianz zum 1. Januar 2016 eine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter auf einer halben Stelle (20 Stunden/Woche), bevorzugt in Berlin im Homeoffice, zur Koordination der Allianz, zur Analyse der Sach- und Rechtslage sowie für Politik-Gespräche.

Das bringen Sie mit:

  • abgeschlossenes Studium
  • Erfahrungen mit der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, insbesondere im Bereich politischer Willensbildung oder Advocacy
  • sehr gute analytische Fähigkeiten
  • klarer Schreibstil
  • selbstständige und strukturierte Arbeitsweise
  • idealerweise Erfahrung in Lobby-Arbeit
  • idealerweise Kenntnisse des Gemeinnützigkeitsrechts
  • idealerweise Erfahrung mit Bündnis-Arbeit

Das bieten wir:

  • unbefristete Stelle
  • halbe Stelle = 20 Wochenstunden
  • Gehalt in Anlehnung an TVöD Entgeltstufe 12
  • kollegiale Zusammenarbeit im Zweier-Team
  • Wir können keinen Büro-Arbeitsplatz in Berlin bieten, aber eine Aufwands-Pauschale für einen Heimarbeitsplatz.

Wir erwarten Ihre aussagekräftige Bewerbung bis zum 31. Oktober 2015 per E-Mail an bewerbung@zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de – das Motivationsschreiben sollte direkt in der Mail stehen, alle weiteren Unterlagen bitte im Anhang, möglichst als PDF, insgesamt maximal drei Megabyte. Bitte stellen Sie auf ca. einer halben Seite dar, welche nächsten Schritte Sie der Allianz empfehlen würden.

Finanzamt Frankfurt entzieht Dona Carmen Gemeinnützigkeit

Das Finanzamt Frankfurt hat der Prostituiertenberatungsstelle Doña Carmen rückwirkend ab 2011 die Gemeinnützigkeit aberkannt und verlangt, dass der Verein sein Vermögen abführt. Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Koordinator der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“:

„Bund und Länder müssen das Gemeinnützigkeitsrecht ändern. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich selbstlos für die Allgemeinheit engagieren, können künftige Entscheidungen des Finanzamtes kaum vorhersagen und sind daher von Rechtsunsicherheit bedroht. Das Gesetz bildet heute nicht den gesellschaftlichen Konsens darüber ab, was gemeinnützig ist.

Tagung „Wenn Konzerne den Protest managen“ am 26. September

Gemeinnützigkeit kann missbraucht werden – etwa dann, wenn Unternehmen oder deren Vertreter gemeinnützige Vereine gründen, die in ihrem Sinne Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen mit PR-Kampagnen unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlichen Engagements. Der Verein schmückt sich mit dem vermeintlichen Gütesiegel der Gemeinnützigkeit und dem Nimbus der Initiative. Verschleiert wird aber, dass hinter dem Verein eigennützige Interessen stecken. Aus unserer Sicht, darf ein eigennütziger Verein nicht als gemeinnützig anerkannt werden, da er eben nicht selbstlos die Allgemeinheit fördert.

Dieser Erscheinungsform von „Protest- und Akzeptanzmanagement“, aber auch Gegenstrategien, widmet sich die Tagung „Wenn Konzerne den Protest managen“ am Samstag, 26. September, in Berlin, veranstaltet unter anderem von Robin Wood und LobbyControl.

Frankfurter Rundschau zu Attac und Gemeinnützigkeit

Auf einer Doppelseite nimmt sich die Frankfurter Rundschau in der Wochenendausgabe dem Thema Gemeinnützigkeit und politische Willensbildung an. Auf den Seiten 2 und 3 berichtet Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann im Interview von der laufenden Auseinandersetzung: „Wir sind seit Mai 2014 im Widerspruchsverfahren und erwarten im Herbst eine Entscheidung. Wir als Attac sind hundertprozentig davon überzeugt, dass wir gemeinnützig sind, und wir werden vor Gericht gehen, falls wir einen negativen Bescheid erhalten.“ Attac gehöre selbstverständlich zu den Organisationen, die sich für das Wohl der Allgemeinheit einsetzen. Sie berichtet auch davon, wie sehr es die Arbeit erschwert, wenn der steuerrechtliche Gemeinnützigkeits-Status fehlt. Die Gründung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ wird ebenfalls berichtet.

Am aktuellen Beispiel des Engagements für Flüchtende analysiert die Frankfurter Rundschau: „Wenn die Helfer Flüchtlingen Deutsch beibringen, alte Spielsachen und Kleidungsstücke aus dem Keller holen und sie in ihren Privatwohnungen unterbringen, übernehmen sie jedoch Aufgaben, die eigentlich organisatorische Angelegenheit des Staates wären. … Das Engagement der Bürger wird automatisch politisch, da sie öffentliche Aufgaben übernehmen.“

Stefan Nährlich, Geschäftsführer des Vereins Aktive Bürgerschaft, kommt mit der Forderung zu Wort, dass der Staat den gemeinnützigen Verbänden erlauben müsse, an der politischen Willensbildung mitzuwirken.