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Autor: Stefan Diefenbach-Trommer

Grüne Bundestagsfraktion zu bürgerschaftlichem Engagement

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat ein Positionspapier zu bürgerschaftlichem Engagement veröffentlicht. Darin kündigt die Fraktion an, „die Liste der Zwecke der Gemeinnützigkeit im Steuerrecht (§ 52 Abgabenordnung) überprüfen und erweitern (zu wollen), um zum Beispiel die Förderung von Menschenrechten und Frieden explizit aufzunehmen“ (Seite 4). Damit hat die Fraktion eine unserer zentralen Forderungen übernommen.

Die Fraktion erkennt an, dass Engagement „Kern einer lebendigen und verantwortungsbewussten Zivilgesellschaft“ ist und dazu ehrenamtliche Arbeit ebenso gehört wie Geldspenden, dass Helfen ebenso dazu gehört wie die politische Meinungsbildung.

Wir führen die Übernahme unserer Position auch darauf zurück, dass Matthias Fiedler, Vorstand der Bewegungsstiftung, unsere Forderungen in einer Kommentar-Runde eingebracht hatte.

Die Grüne Bundestagsfraktion fordert in dem Papier zudem eine „weitest gehende Transparenz über Herkunft von Spenden, Fördermitteln und mögliche Abhängigkeiten“. Es müsse einfach nachprüfbar sein, wer von wem Gelder erhält. Dazu wollen die Grünen große Nonprofit-Organisationen zur Veröffentlichung von Jahresberichten verpflichten.

Wie Unternehmen gemeinnützig lobbyieren

Die „Stuttgarter Nachrichten“ beleuchten mit der „Stiftung Familienunternehmen“ einen weiteren Fall, in dem sich ein Lobbyverband der Gemeinnützigkeit bedient. Diese Stiftung nimmt ganz offenbar Einfluss auf die politische Willensbildung, wenn sie gegen die Erbschaftssteuer kämpft – doch tut sie das nicht selbstlos und nicht im Interesse der Allgemeinheit, sondern für ganz spezifische Interessen, für einen sehr begrenzten Kreis von Begünstigten.

Soll es gemeinnützig sein, sich in politische Debatten einzumischen? In einer streitbaren Demokratie kann die Antwort nur „Ja!“ lauten. Doch unter welcher Bedingung sollte diese Einmischung steuerlich begünstigt sein? Sie muss selbstlos die Allgemeinheit fördern.

Die „Stuttgarter Nachrichten“ steigen prominent auf Seite 1 ein, liefern auf einer halben Zeitungsseite mehr Hintergrund und kommentieren schließlich: „Das Finanzamt streicht Attac die Gemeinnützigkeit, weil die linke Lobbytruppe eine Steuer auf Finanztransaktionen fordert.Und eine „Stiftung“, die die Abschaffung einer Steuer fordert – der Erbschaftsteuer – bleibt unbehelligt? Man muss kein Experte sein, um zu merken: Da passt etwas nicht zusammen.“

ARD-Reportage zu Grenzfällen der Gemeinnützigkeit

Als gemeinnützig anerkannt sein können nur Organisationen, die selbstlos die Allgemeinheit fördern. Die ARD-Reportage „Steuerfrei e. V. – Millionengeschäfte mit der Gemeinnützigkeit“ zeigte am 24. August 2015 Organisationen, die offenbar nicht selbstlos handeln, sondern nur im Interesse ihrer Mitglieder – und die dennoch als gemeinnützig anerkannt sind.

Unverständlich ist, dass anderen Organisationen die Gemeinnützigkeit entzogen wird, wenn sie selbstlos zur Förderung der Allgemeinheit an der politischen Willensbildung mitwirken. Die „Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik“ lobbyiiert für Waffenhersteller und ist als gemeinnützig anerkannt. Wenn Vereine wie Attac eine gerechte Steuerpolitik fordern, streicht das Finanzamt die Gemeinnützigkeit.

Die Reportage kritisiert etwas zu allgemein Schlupflöcher in der Gemeinnützigkeit, ohne den Unterschied zwischen Selbstlosigkeit und Förderung der Allgemeinheit deutlich zu machen. Sie zitiert mit Prof. Dr. Wolfram Richter eine Haltung, das Gemeinnützigkeitsrecht generell deutlich restriktiver zu handhaben, womit auch gesellschaftliches Engagement anders behandelt würde.

LobbyControl weist in einem Blog-Beitrag auf zwei weitere Beispiele hin, bei denen kommerzielle Interessen von Unternehmen mit den Aktivitäten an sie gebundener gemeinnütziger Organisationen vermischt werden.

Zivilgesellschaftliche Organisationen unverzichtbar für Demokratie

Zivilgesellschaftlichen Organisationen „sind der eigentliche Nährboden der Demokratie. Dafür sollen sie Unterstützung finden. Das Privileg der Gemeinnützigkeit ist die angemessene Form, ihre politische Tätigkeit zu würdigen“, schreibt der Politikwissenschaftler Dr. Rudolf Speth in einem Kommentar für die Stiftung „Aktive Bürgerschaft“ über die Gründung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Die derzeitigen Probleme bei Beiträgen zur politischen Willensbildung seien ein „gravierendes Problem“. „Die Liste der gemeinnützigen Zwecke in der Abgabenordnung muss schon allein deshalb erweitert werden, um die Substanz der Demokratie zu erhalten.“

Speth, der über Lobbying, Interessenpolitik, politische Kommunikation und bürgerschaftliches Engagement schreibt und forscht, erklärt, die Vielfalt der Gesellschaft könnten nur zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen zu Gehör bringen, da die Parteien die Gesellschaft längst nicht mehr in der gesamten Breite repräsentierten. Unbenommen sei deren Aufgabe, sich an Wahlen zu beteiligen, das politische Personal auszuwählen und auszubilden sowie dafür zu sorgen, dass politische Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.

Zum gesamten Kommentar…

Zwei Beiträge zu Problemen der politischen Willensbildung

Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement veröffentlicht im aktuellen Newsletter gleich zwei umfangreiche Beiträge rund um unser Thema.

Die Einschränkung der politischen Willensbildung durch das Gemeinnützigkeitsrecht ist das Thema des Gastbeitrages von Stefan Diefenbach-Trommer, Koordinator der Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung«. Mit einer Reihe von Fallbeispielen zeigt er, wie zivilgesellschaftliche Organisationen immer wieder von Finanzämtern mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit bedroht werden, wenn sie zu Demonstrationen aufrufen, Menschenrechte schützen wollen oder sich anderweitig für das Gemeinwohl engagieren.  Zum BBE-Newsletter…

Fides Ochsenfeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Maecenata-Institutes, berichtet vom Kolloquium „Sind politische Kampagnen gemeinnützig?“, das das Institut zusammen mit dem Verein für Protest- und Bewegungsforschung am 26. Mai 2015 in Berlin veranstaltet hatte. Zum BBE-Newsletter…

Presseberichte zur Allianz

Über unsere gestern auf einer Pressekonferenz vorgestellten Forderungen berichten mehrere Medien. Neben Meldungen der Nachrichtenagenturen dpa und epd nahm der Deutschlandfunk die Nachricht auf. Längere Berichte gibt es in diesen Zeitungen:

Der „Tagesspiegel“ berichtet umfassend und treffend. Die Journalistin stellt fest: „Viele zivilgesellschaftliche Organisationen haben Probleme damit, das Finanzamt von ihrer Gemeinnützigkeit zu überzeugen. Das liegt an der rückständigen Abgabenordnung.“

Das „Neue Deutschland“ stellt die Sachlage gut und verständlich dar.

Die „taz“ berichtet, dass die Finanzämter strenger werden und die Zivilgesellschaft immer mehr als störend empfunden wird.

Der Bericht der „Frankfurter Rundschau“ ist leider nicht online verfügbar.

 

Öffentliche Vorstellung der Forderungen

Mit einer Pressekonferenz hat die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ ihre Forderungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu dem Zeitpunkt haben sich bereits mehr als 40 Vereine und Stiftungen in der Allianz zusammengeschlossen.

Auf der Pressekonferenz in Berlin stellten Koordinator Jörg Rohwedder, die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Çalışkan, Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann und Julia Duchrow von Brot für die Welt die Problemlage und die Forderungen vor.

Mehr Informationen dazu…

Nicht nur Einzelfälle

Politiker und Juristen meinen gelegentlich, es brauche keine Gesetzesänderung, weil es bei den Problemen mit der politischen Willensbildung nur um Einzelfälle gehe. Doch das ist ein Irrtum. Wir haben von vielen Vereinen gehört, die wegen angeblich zu politischer Betätigung Probleme mit ihrem Finanzamt haben. Oft wird der Vorwurf noch vor einer Klage ausgeräumt, doch die Vereine sind damit extrem belastet. Wir haben einige erste Fallbeispiele zusammengestellt. An der Darstellung weiterer Fälle bzw. ausführlicher Fassungen arbeiten wir. Gerne nehmen wir auch Hinweise entgegen.