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Autor: Stefan Diefenbach-Trommer

ZiviZ-Survey: 30.000 Vereine verstummen wegen zu engem Gemeinnützigkeitsrecht

Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.

  • ZiviZ-Survey: Fünf Prozent unterlassen politische Beteiligung wegen Sorge um Gemeinnützigkeit
  • Repräsentative Studie zeigt erstmals, was wegen engem Recht nicht stattfindet
  • Koalition muss zügig Gemeinnützigkeitsrecht ins 21. Jahrhundert bringen

Der Thinktank „Zivilgesellschaft in Zahlen“ (ZiviZ) im Stifterverband hat heute (7.3.2023) Trendergebnisse des ZiviZ-Survey 2023 vorgestellt. Der ZiviZ-Survey ist eine repräsentative Befragung der organisierten Zivilgesellschaft und erfasst seit 2012 in regelmäßigen Abständen Strukturmerkmale und Entwicklungen. Der ZiviZ-Survey 2023 wurde im Herbst 2022 durchgeführt. Zur Befragung gehörte ein Themenschwerpunkt „Zivilgesellschaft in der Demokratie“. Zu den von ZiviZ festgestellten Trends der vergangenen Jahre gehört, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen immer häufiger als Impulsgeber für sozialen Wandel oder auch als Akteure der politischen Willensbildung verstehen. Sie möchten mit ihren Aktivitäten und Angeboten Gesellschaft und Politik mitgestalten.

Ein aktueller Befund: In Teilen der Zivilgesellschaft besteht Verunsicherung, inwiefern politische Mitgestaltung Gefahren für den Gemeinnützigkeitsstatus bergen. Insgesamt geben fünf Prozent der Organisationen an, sich aus Sorge um ihren Gemeinnützigkeitsstatus nicht intensiver politisch zu engagieren. Bei einem von ZiviZ erhobenen Stand von 656.888 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland bedeutet das: 30.000 Vereine mischen sich nicht für Demokratie ein, obwohl sie es wollen.

Eigenes Gesetz für Parteistiftungen ist Chance für Gemeinnützigkeit

Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zum kommenden Gesetz für Parteistiftungen

  • Gemeinnützige Vereine sind nicht parteinah
  • Freiraum für vereinbarte Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts

Zur gestrigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Bundestag ein Gesetz zur Finanzierung der parteinahen Stiftungsvereine verabschieden muss, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von fast 200 Vereinen und Stiftungen:

„Dieses Urteil ist eine Chance für die Demokratie und für die anstehende Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts. Ein eigenes Gesetz für die parteinahen Stiftungen (die meist als eingetragener Verein organisiert sind) würde deutlich machen, dass diese Organisationen und gemeinnützige Organisationen weder gleich noch ähnlich sind. Tatsächlich sind diese parteinahen Vereine als gemeinnützig anerkannt, unter anderem, damit Spenden steuergegünstigt und Erbschaften steuerfrei sind. Doch gemeinnützige Vereine haben keine Parteiennähe. Sie sind themenorientiert. Sie haben durch den Status der Gemeinnützigkeit noch lange nicht Anspruch auf staatliche Fördermittel.

Demokratiefördergesetz auf dem Weg

Die Bundesregierung hat am 14. Dezember 2022 den Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung (Demokratiefördergesetz – DFördG)“ beschlossen. Der Bundesrat hat am 10. Februar 2023 seine Stellungnahme zum Demokratiefördergesetz abgegeben. Jetzt muss die Bundesregierung noch auf die Stellungnahme reagieren. Dann geht das gesamte Paket in den Bundestag. Der Bundesrat muss nicht zustimmen und hat keine Einspruchsrechte. Voraussichtlich wird das Gesetz im März im Bundestag beraten und bis zum Sommer 2023 beschlossen.

Digitale Mitgliederversammlung ohne Satzungsänderung möglich

Bald können Vereine Versammlungen wieder digital abhalten, ohne dafür ihre Satzung ändern zu müssen. Bis August 2022 war dies durch eine Corona-Sonderregelung bereits möglich. Nun hat der Bundestag am 9. Februar 2023 in §32 des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) einen neuen Absatz eingefügt. Es gilt ab Inkrafttreten in den nächsten Tagen:

  •  …generell das, was die Satzung sagt: Vereine können festlegen, wie sie entscheiden. Sie können hybride Versammlungen auch ausschließen.
  • Wenn eine Regelung fehlt, gilt das BGB. Demnach kann eine Mitgliederversammlung ohne entsprechende Satzungsregelung künftig hybrid stattfinden: Es muss eine Vor-Ort-Versammlung geben – aber dort muss niemand sein. Weitere Personen können daran online teilnehmen (das muss nicht Video sein). Einzelne Mitglieder können nicht darauf bestehen, dass aus der Vor-Ort-Versammlung eine Hybrid-Versammlung wird. Das einladende Gremium (meist der Vorstand) entscheidet, wie die Versammlung stattfindet.
  • Für die Zukunft kann die Mitgliederversammlung entscheiden, dass sie immer hybrid oder auch rein online stattfinden kann. Dazu muss nicht mehr die Satzung geändert werden.
  • Im Grundsatz gilt die Regel auch für Vorstände und Stiftungen.

innn.it-Verein klagt auf Gemeinnützigkeit – Nicht alle haben Kraft für so einen Streit

Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zur Gemeinnützigkeits-Klage des innn.it-Vereins (ehemals Change.org)

  • Bekannte Fälle sind nur Spitze eines Eisbergs
  • Nicht jeder Verein hat Kraft für Streit um Gemeinnützigkeit
  • Ampel muss 2023 Vereinbarung umsetzen und Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren

Zur Mitteilung des innn.it-Vereins, dass er nun Klage auf Gemeinnützigkeit einreicht, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 200 Vereinen und Stiftungen:

„Der Fall innn.it e.V. ist leider nur einer von vielen Fällen, in denen zivilgesellschaftliches Engagement durch das veraltete Gemeinnützigkeitsrecht ausgebremst wird. Das Bundeskabinett hat zwar gestern (14.12.2022) seinen Entwurf für ein Demokratiefördergesetz verabschiedet. Damit sollen zivilgesellschaftliche Organisationen finanziell gefördert werden, die sich für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit engagieren. Doch passende gemeinnützige Zwecke dafür fehlen weiterhin.

Demokratiefördergesetz geht in die Endrunde

Das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben einen Referent:in-Entwurf für das geplante Demokratiefördergesetz erstellt. Dieser Entwurf ist noch nicht mit weiteren Ministerien abgestimmt, aber soll am 14. Dezember im Kabinett beschlossen werden. Danach geht er in den Bundestag und soll Anfang 2023 dort beschlossen und Gesetz werden. Wir haben zum Entwurf eine Stellungnahme eingereicht, die sich vor allem mit Fragen zur Gemeinnützigkeit befasst – denn diesen Status setzt der Entwurf als Fördervoraussetzung.

EU-Kommission widmet sich europäischem Vereinsrecht

Im zweiten Quartal 2023 möchte sich die Europäische Kommission dem Europäischen Vereinsrecht widmen. So steht es auf Seite 9 im Kommissions-Arbeitsplan für 2023. Dem Vernehmen nach soll der Prozess bereits Ende 2023 abgeschlossen sein mit Entscheidungen auch im Europäischen Parlament. Noch ist offen, welchen Weg die Kommission einschlagen wird.

Ministerin Paus kündigt umfassende Reform Gemeinnützigkeit 2023 an

Die „Engagementministerin“ Lisa Paus hat beim 22. Deutschen Stiftungstag in Leipzig heute (29.9.2022) früh angekündigt, dass das Gemeinnützigkeitsrecht im nächsten Jahr umfassend modernisiert wird. Die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erklärte in einer Keynote zu nachhaltiger Engagementpolitik, dass das Gemeinnützigkeitsrecht eine „wichtige Stellschraube“ in der Engagement-Strategie der Bundesregierung sei. Es sei auch eine nötige Flankierung des kommenden Demokratiefördergesetzes.

Sozialproteste gehören zur politischen Teilhabe

Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zur Angst vor Sozialprotesten

  • Proteste gehören zu liberaler Demokratie
  • Proteste haben oft Fortschritt bewirkt, auf Unrecht hingewiesen
  • Für Sozialproteste fehlt gemeinnütziger Zweck

Zu Aussagen zu scheinbar drohenden Sozialprotesten erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von fast 200 Vereinen und Stiftungen:

„Die in den vergangenen Tagen mehrfach geäußerte Sorge vor Sozialprotesten irritiert mich. Proteste gehören zu einer liberalen Demokratie und sind Teil des politischen Willensbildungsprozesses. Nicht immer mag eine Demonstration die sinnvollste Form der Teilhabe sein, doch jede Diffamierung ist antidemokratisch. Gerade marginalisierte Gruppen haben oft keine andere Möglichkeit der Teilhabe.