Der Bundestag debattiert heute Nacht nach 23 Uhr über Grenzen der Gemeinnützigkeit. Anlass ist ein Antrag der FDP-Fraktion (Drucksache 19/2580), der allerdings keine Gesetzes-Änderungen vorschlägt und sich eher einem Einzelfall als Grundsatzfragen widmet. Im Antrag geht es um die Tierrechts-Organisation Peta. Die FDP fordert, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen solle, „dass Körperschaften, deren Repräsentanten bei der Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks der Körperschaft gegen die geltenden Strafgesetze verstoßen oder zu einem solchen Rechtsbruch aufrufen, grundsätzlich nicht mehr in den Genuss der Steuerbegünstigung der Gemeinnützigkeit kommen dürfen“.
Tatsächlich ist längst geregelt und wird durchgesetzt, dass sich gemeinnützige Organisationen an die Gesetze halten müssen. In Paragraph 51 der Abgabenordnung ist zudem festgelegt, dass auch nicht gemeinnützig sein kann, wer gegen die Verfassung oder die Völkerverständigung arbeitet. Laut Peta wird der Verein regelmäßig geprüft.
Die Intention des Antrags ist schwer zu ergründen. Wollen die Antragsteller Finanzämter besser ausstatten, damit sie gemeinnützige Organisationen besser beraten, aber auch Verstöße kontrollieren können? Damit könnte die FDP in Nordrhein-Westfalen beginnen, denn die Finanzämter gehören zur Landesverwaltung.
Wollen die Antragsteller Partikularinteressen von Jägern und Landwirten schützen? Wollen sie Organisationen, deren Ziele oder auch deren Vorgehen ihnen nicht passt, die Gemeinnützigkeit entziehen? Dann würden sie die Liberalität des Gemeinnützigkeitsrechts verkennen: Das Gesetz definiert Zwecke, Themen, Rahmen, die förderungswürdig sind. Wie und auf welche Weise sich Organisationen engagieren, bleibt denen überlassen und bestimmt nicht der Staat. Man muss weder Ziele noch Methoden eines Vereins wie Peta, Attac oder BUND teilen, um anzuerkennen, dass diese selbstlos tätigen Organisationen eine wichtige Rolle in unserer Demokratie und in der politischen Willensbildung haben: Sie agieren z.B. als zivilgesellschaftliche Wächter, die auf Fehler in Gesetzen oder in der Exekutive hinweisen und so den Rechtsstaat schützen. Sie agieren als Themenanwälte – nicht als Lobbyisten für ihren eigenen Vorteil, sondern für ein Thema wie Tierschutz oder für Gruppen, die kaum zu Gehör kommen.
Besser sollte der Bundestag über Rolle in der politischen Willensbildung diskutieren
Darüber sollte der Bundestag eigentlich diskutieren: Ob und wie dürfen zivilgesellschaftliche Organisationen selbstlos auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen? Eher zufällig zieht sich diese Frage durch mehrere Parlamentsdebatten in dieser Woche – ob sie verbunden werden, wird sich zeigen.
- Auf Antrag von Union und SPD soll die Parteienfinanzierung erhöht werden. Mit der Parteienfinanzierung werden die zentralen Akteure der politischen Willensbildung mit staatlichen Mitteln ausgestattet, über die Steuerbegünstigungen von Spenden und Beiträgen hinaus. Es ist richtig, die Parteienfinanzierung separat zu regeln, da Vertreter der Parteien über Gesetze entscheiden und auch das Führungspersonal der Exekutive stellen. Doch viele andere Organisationen beteiligen sich ebenfalls selbstlos und zum (subjektiven) Wohl der Allgemeinheit an der öffentlichen Debatte. Das tun sie meist ohne staatliche Förderung. Ihre Finanzierung besteht in der Regel zu weit mehr als der Hälfte aus Spenden. Doch oft sind diese Spenden nicht steuerbegünstigt, weil die Abgabenordnung diese Anliegen aus der Gemeinnützigkeit ausschließt.
- Im Anschluss an die Gemeinnützigkeitsdebatte diskutiert der Bundestag über einen Gesetzesentwurf der Linkspartei zu direkter Demokratie (Drucksache 19/16). Manche Akteure können dafür steuerbegünstigte oder staatliche Mittel einsetzen, andere nicht. Wenn sich eine Partei in einem Volksbegehren engagiert, kann sie dabei steuerbegünstigte Spenden und Einnahmen aus der staatlichen Teilfinanzierung verwenden. Wenn sich ein Unternehmen oder ein Branchenverband engagieren, können sie die Kosten als Werbekosten absetzen. Wenn sich ein gemeinnütziger Verein so engagiert, dann ruft das Finanzamt eventuell: Dürft ihr nicht, das ist zu politisch! Oder: Passt nicht zu Eurem Zweck!
- Am darauf folgenden Freitag steht ein Antrag der AfD zum Recht der parteinahen Stiftungen auf der Tagesordnung (Drucksache 19/2674). Tatsächlich sind diese Organisationen formal ebenfalls zivilgesellschaftliche Organisationen, nämlich gemeinnützige Vereine, gemeinnützige Stiftungen. Im Übrigen bezeichnet sie das Finanzamt als „politische Stiftungen“ – ist politisches Handeln gemeinnütziger Organisationen also gewollt oder welche Unterschiede werden gemacht? Der Gesetzesentwurf der AfD trifft keine Aussagen zur Steuerbegünstigung von Spenden. Den Regeln des Entwurfs nach wären diese Stiftungen nicht gemeinnützig, da sie u.a. jeweils eine Partei beraten sollen, auch, wenn sie nicht den Wahlkampf oder die Mitgliederwerbung unterstützen dürften.
Laut Tagesordnung ist strittig, welcher Ausschuss in der Beratung federführend sein soll. Wenn es tatsächlich um Gemeinnützigkeitsrecht geht, wäre das der Finanzausschuss, die Antragsteller wollen wohl hauptsächlich im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft weiter beraten. In der Verweisungs-Liste steht nicht der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement, der sich systematisch mit zivilgesellschaftlichem Engagement befasst. Daran wird deutlich, das die Zuständigkeit für Belange zivilgesellschaftlicher Organisationen im Bundestag und in der Bundesregierung nicht klar zugeordnet ist.
Rechtsunsicherheit für gemeinnützige Organisationen
Im Antrag wird unsere Studie „Engagiert Euch – nicht?“ als Beleg dafür angeführt, dass Finanzämter gleiche Sachverhalte unterschiedlich beurteilen. Der Antrag unterschlägt die genaue Quelle und richtig gelesen haben die Antragsteller wohl auch nicht. Unsere Studie weist Gesetzeslücken nach für Vereine, die sich demokratisch einmischen. Dass gemeinnützige Vereine sich an Gesetze halten müssen, ist bereits geregelt und wird sicher auch so vollzogen (§ 51 der Abgabenordnung).