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Campact-Fall zeigt, dass Zwecke im Gesetz fehlen

Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.

Zur heutigen Mitteilung von Campact, dass das Finanzamt dem Verein den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt hat, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 130 Vereinen und Stiftungen:

„Der Fall Campact zeigt, dass die Sorge tausender Vereine und Stiftungen seit dem Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) berechtigt ist. Der Bundestag muss zügig Rechtssicherheit schaffen und das gemeinnützige Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit absichern. Der Gesetzgeber muss eindeutig sagen, welche Zwecke er für förderwürdig hält. Dazu müssen Demokratie und Grundrechte gehören.

Menschen schließen sich zusammen, um sich selbstlos außerhalb von Parteien und Profitinteresse für Demokratie und Gesellschaft zu engagieren. Dieses Engagement führt zu besseren Entscheidungen, weil dadurch mehr Stimmen in die politische Willensbildung einfließen. Mit der Festlegung gemeinnütziger Zwecke werden gesellschaftliche Debattenräume außerhalb von Parteien und Parlamenten geöffnet. Es fehlen unter anderem die Förderung von Frieden, Menschenrechten, Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit als gemeinnützige Zwecke im Gesetz.

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Campact ist eine direkte Folge des Attac-Urteils. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte den Zweck Bildung massiv eingeschränkt und freie Zusammenschlüsse wie Attac oder Campact mit parteinahen, staatlich finanzierten Stiftungsvereinen gleichgesetzt. Campact hat entschieden, sein Engagement für Demokratie und Menschenrechte nicht einzuschränken. Doch durch die Finanzamt-Entscheidung verlieren die Spenderinnen und Spendern die Möglichkeit des Steuervorteils. Campact wird in seinen Finanzierungsmöglichkeiten eingeschränkt.

Wer wie Campact eine breite Basis an Spenderinnen und Spendern hat, kommt vielleicht ohne Gemeinnützigkeit zurecht. Doch viele, vor allem kleine Organisationen sind auf Fördermittel angewiesen, die sie nur mit dem Status der Gemeinnützigkeit bekommen. Manche Initiativen geben wegen des unklaren Gemeinnützigkeitsrechts bereits bei der Gründung auf. Es darf nicht sein, dass einmischendes Engagement nur denen möglich ist, die eine Fachanwältin für Gemeinnützigkeitsrecht bezahlen können.

Vor 30 Jahren ist das autoritäre Regime der DDR gestürzt – durch zivilgesellschaftlichen Protest für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und auch Umweltschutz. Aus Respekt vor dieser historischen Leistung und zum Schutz unserer Demokratie ist es überfällig, dass Bundestag und Bundesregierung dieses zivilgesellschaftliches Handeln als gemeinnützig anerkennen.“

Eine Vielzahl von Vereinen und Stiftungen fühlt sich durch das unklare Gemeinnützigkeitsrecht bedroht. Mehr als 130 Vereine und Stiftungen haben sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammen geschlossen, um das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und die selbstlose politische Einmischung etwa für Grundrechte und gemeinnützige Zwecke abzusichern. Zu den Mitgliedern gehören neben Amnesty International, Brot für die Welt und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auch Campact und Attac.

Weitere Infos: https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de

Hintergrund

Die heutige Pressemitteilung von Campact.

Campact hatte bereits kurz nach dem Attac-Urteil erklärt, aus Sorge um persönliche Haftungsrisiken keine Spendenbescheinigungen mehr auszustellen.

Der Fall Attac ist seit dem im Februar veröffentlichten BFH-Urteil weiter offen, da das Bundesgericht die Entscheidung zurück ans Hessische Finanzgericht verwiesen hat. Weitere Informationen.

Das Attac-Urteil hat Auswirkungen auf weitere Vereine. Einem kleinen soziokulturellen Zentrum droht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit, nachdem das Bundesfinanzministerium das Attac-Urteil amtlich im Bundessteuerblatt veröffentlicht hatte. Das zuständige Finanzamt bezieht sich ausdrücklich darauf.

Unsere Analyse vom März 2019 zum Attac-Urteil.

Fakten zu Gemeinnützigkeit

Das Recht der Gemeinnützigkeit ist Teil des Steuerrechts, prägt aber den gesamten Sektor zivilgesellschaftlicher Organisationen. Der Status der Gemeinnützigkeit ist nicht nur Voraussetzung dafür, das Spenderinnen und Spender ihre Zuwendungen steuerlich geltend machen können, sondern auch für viele Fördermittel, für die Zusammenarbeit mit Dritten und für indirekte Vorteile.

Ob die Organisationen die Voraussetzungen erfüllen, prüft das örtliche Finanzamt in zwei Schritten. Es stellt zunächst fest, ob die Satzung den Vorgaben entspricht. Und dann prüft es meist alle drei Jahre rückwirkend, manchmal auch jährlich, ob die so genannte „tatsächliche Geschäftsführung“ der Satzung und den gesetzlichen Regeln entspricht.

Zentrale Regeln der Gemeinnützigkeit sind:

  • Gemeinnützige Organisationen müssen in Paragraph 52 der Abgabenordnung genannte Zwecke verfolgen – dort steht zum Beispiel Umweltschutz. Sie dürfen nur den Zweck verfolgen, der in ihrer Satzung steht. In der Wahl der Mittel sind sie weitgehend frei. Einflussnahme auf die politische Willensbildung zur Verfolgung des Zwecks ist dem Gesetz nach möglich.
  • Gemeinnützige Organisationen müssen selbstlos handeln, also nicht zum wirtschaftlichen Vorteil ihrer Mitglieder oder Spender. Erlaubt sind wirtschaftliche Betätigungen, um Einnahmen zu erzielen oder um damit den gemeinnützigen Zweck zu verfolgen.
  • Gemeinnützige Organisationen dürfen nur begrenzt Rücklagen bilden.
  • Gemeinnützige Organisationen dürfen keine Parteien unterstützen. Anders als gemeinnützige Organisationen müssen Parteien nicht selbstlos sein. Sie sind an keinen spezifischen Zweck gebunden und können unbegrenzt Rücklagen bilden. Für sie gelten schwache Regeln öffentlicher Transparenz über Mittelherkunft und Ausgaben. So müssen etwa Spenden ab 50.000 Euro der Bundestagsverwaltung gemeldet werden.
  • Das Gemeinnützigkeitsrecht verlangt keine Transparenz. Der Status der Gemeinnützigkeit fällt sogar unter das Steuergeheimnis. Viele gemeinnützige Organisationen geben freiwillig umfassend Auskunft über Mittelherkunft und Mittelverwendung. Ein Standard dafür ist die „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“.

Gemeinnützige Organisationen finanzieren sich auf vielfältige Art. Der Großteil der Organisationen hat kaum Umsätze. Größere Organisationen finanzieren sich u.a. durch Spenden von Privatpersonen, durch Firmenspenden, durch eigene wirtschaftliche Aktivitäten, durch öffentliche Fördermittel (meist projektbezogen) oder durch Förderungen anderer gemeinnütziger Organisationen (auch meist projektbezogen).

Der Zweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ wurde 1983 im Zuge der Neuordnung des Parteifinanzierungsgesetzes als damals dritter gemeinnütziger Zweck in die Abgabenordnung eingefügt. In der Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 29. November 1983 (Drucksache 10/697) steht dazu:

„Nachdem der Begriff der staatspolitischen Zwecke durch den neuen Absatz 2 des § 10b des Einkommensteuergesetzes auf Parteien beschränkt wird, wird die sonstige Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich des Grundgesetzes einschließlich des Landes Berlin den gemeinnützigen Zwecken zugeordnet. Dadurch bleiben Spenden an die in Abschnitt 112 der Einkommensteuer-Richtlinien genannten Institutionen im Rahmen des § 10b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes steuerlich begünstigt.“

Wenn eine Organisation als „zu politisch“ aus der Gemeinnützigkeit fällt, fällt sie damit nicht unter das Parteienrecht. Voraussetzung dafür ist, dass sie ernsthaft zu Wahlen antritt (siehe §2, Abs. 1 des Parteiengesetzes). Eine Organisation, die weder Partei noch gemeinnützig ist, erhält keine Vorteile für Spenden, muss keine Transparenzpflichten erfüllen und muss keine Vorgaben wie Zweckbindung oder Selbstlosigkeit einhalten.