Das Jahressteuergesetz 2024 soll die im Koalitionsvertrag versprochene Reform des Gemeinnützigkeitsrechts beinhalten. Dieses soll noch vor der Sommerpause des Bundestags ins Kabinett.
Das ist nicht mehr lang, und was bisher bekannt ist, ist ernüchternd: Im letzten veröffentlichten Entwurf war Gemeinnützigkeit gar nicht drin. Nur E-Sport soll als neuer Zweck aufgenommen werden, es gibt keine Einigung zur Klarstellung für politische Mittel für den eigenen Zweck.
Umso mehr Stiftungen, Verbände und Vereine ergreifen grade die Initiative, an Bundesfinanzminister Linder zu appellieren, an dessen Ministerium das Jahressteuergesetz hängt: Einen Abriss der Geschehnisse der letzten Wochen, in denen aus vielen Richtungen kleinerer und größerer Druck kam, haben wir hier zusammengefasst.
Kategorie: Allgemeines
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Die Bundesfinanzhof-Definition und ihre Probleme für zivilgesellschaftliches Engagement
„Politische Bildung vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen.“
Leitsatz 3 aus dem Attac-Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH)
Der BFH hat in seinem Attac-Urteil festgelegt, dass politische Bildung in „geistiger Offenheit„ stattfinden müsse. Damit hat der BFH den Zweck der „politischen Bildung“ stark eingeschränkt und der Arbeit vieler gesellschaftlich arbeitender, gemeinnütziger Organisationen die rechtliche Grundlage entzogen. Das führt dazu, dass viele Organisationen nun davon bedroht sind, ihren Status der Gemeinnützigkeit zu verlieren und ihre selbstlose und gemeinwohlorientierte Arbeit aufgeben zu müssen.
Im 16. Kinder- und Jugendbericht greifen die von der Bundesregierung berufenen Sachverständigen die Probleme der politischen Bildung in der Gemeinnützigkeit auf und empfehlen dringend, das Gemeinnützigkeitsrecht anzupassen und die Verengung des Bildungsbegriffs aufzuheben. Die Bundesregierung nimmt in ihrer am 11. November 2020 beschlossenen Stellungnahme diese Empfehlung nicht auf, aber bestätigt, dass Bildung nicht neutral sein kann.
Zivilgesellschaftliche Organisationen sind von der Corona-Krise spezifisch betroffen. Ihre einmischende, wachende und anwaltschaftliche Arbeit ist besonders wichtig. Bei Hilfsmaßnahmen sind sie oft nicht mitgedacht. Ihre Ressourcen sind oft geringer als die großer Unternehmen. Einige Tipps und Hinweise:
Spätestens das Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs hat vergangenes Jahr die großen Probleme in der Gemeinnützigkeit auf die öffentliche und politische Tagesordnung gesetzt. Einen Gesetzesentwurf gibt es noch immer nicht. Dennoch passierte 2019 so viel zu Gemeinnützigkeit – manchmal wird erst im Rückblick die Dimension deutlich.
Seit dem Attac-Urteil hat die Menge an Presseberichten etwas abgenommen, dafür gibt es mehr Hintergrund-Texte. Hier einige Lese-Hinweise.
Könnte, sollte die „Sammlungsbewegung Aufstehen“ gemeinnützig sein? Eine Partei will die Organisation nicht sein, darum kann sie nicht die Vorteile von Parteispenden genießen. Auf den Status der Gemeinnützigkeit verzichtet sie. Das ist schade, schreibt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, in einem Gastbeitrag für den Newsletter des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE), denn dieser Status markiert eine klare Grenze zu politischen Parteien. Er legt dar, warum es kein Hindernis für die Gemeinnützigkeit ist, dass „Aufstehen“ sich politisch einmischen will, Einfluss auf Parteien nehmen will und stark von Parteipolitiker*innen geprägt ist.
Heute fallen der Beginn der Woche des bürgerschaftlichen Engagements und der Tag der Demokratie zusammen – eine gute Verbindung, denn Demokratie braucht eine starke, engagierte Zivilgesellschaft. Ohne Zivilgesellschaft gibt es keine Demokratie. Eine sich einmischende Zivilgesellschaft ist der Treibstoff der Demokratie. In Deutschland ist das Recht der Gemeinnützigkeit das prägende Recht für zivilgesellschaftliche Organisationen. Dieses Recht begrenzt jedoch den Raum für demokratisches Engagement. Denn wenn gemeinnützige Vereine oder Stiftungen sich für Demokratie oder Menschenrechte engagieren, wenn sie mit ihrem Engagement politische Forderungen verbinden, dann können sie existenzgefährdende Probleme mit der Gemeinnützigkeit bekommen.
Die am 22. März 2018 vorgestellte Studie über die Unklarheit des Gemeinnützigkeits-Rechts hat ein großes Echo ausgelöst. Zahlreiche Medien berichteten in Text und Ton (siehe unten), teilweise prominent auf Zeitungs-Titelseiten. Die Finanzamt-Studie zielt natürlich vor allem auf diejenigen, die das Recht setzen.
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(Direkt zum Download der Studie: PDF, 3 Megabyte)
Konflikte zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Finanzämtern um die Gemeinnützigkeit sind keine Einzelfälle, wie immer wieder behauptet wird. Zu politischer Einmischung, zum Schutz der Menschenrechte oder für mehr Demokratie ist die Abgabenordnung als zugrunde liegendes Gesetz nicht eindeutig und führt deshalb zu völlig verschiedenen Ergebnissen. Das belegt die Finanzamt-Studie mit dem Titel „Engagiert Euch – nicht? Wie das Gemeinnützigkeitsrecht politisches Engagement behindert“, die die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ mit Unterstützung der Otto Brenner Stiftung durchgeführt hat. Je ein Drittel aller zuständigen Finanzämter wurde mit jeweils identischen Satzungen angeschrieben. Die Hälfte der Antworten bestätigte die Gemeinnützigkeit, die andere Hälfte nicht. Je deutlicher die politische Einmischung war, desto geringer die Anerkennungsquote – aber nie so gering, dass die anerkennenden Finanzämter eine Minderheit gewesen wären.