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Kategorie: Juristisches

Attac-Verhandlung am 10. November 2016

Aktualisierung: Attac hat vor dem Finanzgericht gewonnen.

Der 4. Senat des Finanzgerichts Kassel wird die Klage von Attac auf Gemeinnützigkeit am Donnerstag, 10. November 2016, ab 9:45 Uhr verhandeln. Die Gerichtsverhandlung ist öffentlich und findet im Hessischen Finanzgericht, Kassel, Königstor 35 (Eingang Hermannstraße), statt. Wie lange die Verhandlung dauert und wann das Gericht entscheidet, ist offen. Das Finanzamt Frankfurt hatte Attac vor mehr als zwei Jahren die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Attac: Abgabenordnung erlaubt politische Betätigung

Attac hat heute die Begründung seiner Klage gegen das Finanzamt Frankfurt veröffentlicht, mit der die Wiederherstellung der Gemeinnützigkeit gefordert wird. In dem Schriftsatz legt Attac dar, dass das Gesetz nicht hergibt, eine politischen Tätigkeit zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke zu beschränken und dass der gemeinnützige Zweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ so umfassend zu verstehen ist, dass die Tätigkeiten von Attac darunter fallen. Das Gericht wird aufgefordert, das Gesetz richtig anzuwenden statt sich an der falschen Interpretation im Anwendungserlass zu orientieren. Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ appelliert an die Politik als Gesetzgeber, die eigene Interpretation klarzustellen, statt sich von Interpretationen von Justiz oder Exekutive abhängig zu machen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Attac sind nötig für eine lebendige Demokratie. Sie bündeln das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, sie verhindern politische Fehlentscheidungen, sie stehen für schwache Gesellschaftsmitglieder ein. Einen Widerspruch von Gemeinnützigkeit und politischem Engagement gibt die Abgabenordnung als Gesetz nicht her, eher im Gegenteil. Sie trennt lediglich klar zwischen Parteien und anderen Organisationen.

Warum die Etablierung eines „politischen Vereins“ keine Lösung ist

Bis in die 80-er Jahre waren „Politische Vereine“ steuerbegünstigt – und reichten die eingesammelten Spenden direkt an Parteien weiter. Um diesen Missbrauch zu stoppen, wurde damals das Spendenrecht für Parteien und für gemeinnützige Organisationen überarbeitet, wurden politische Zwecke zunächst gestrichen. Heute mischen gemeinnützige Organisationen auch politisch mit und bekommen deshalb Gemeinnützigkeits-Probleme. Könnte die neue Etablierung eines Status für „Politische Vereine“ eine Lösung sein? Nein, denn dadurch würde der gemeinnützige Sektor entpolitisiert, dabei sind Gemeinnützigkeit und (auch) politisches Engagement untrennbar. Argumente dazu hat Stefan Diefenbach-Trommer in seinem Beitrag für den Newsletter des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) notiert.

Vereinsverbot gegen Rechtsextremisten

Der Hessische Innenminister hat den Verein „Sturm 18“ gestern mehr als anderthalb Monate nach seiner Eintragung verbotenZeitungsberichten zufolge wollte der Neonazi-Verein auch die Gemeinnützigkeit erreichen – ob ein Antrag auf Anerkennung gestellt oder beschieden wurde, ist uns nicht bekannt.

Dass Verfassungsfeinde steuerbegünstigt Spenden sammeln könnten, wird gelegentlich eingewandt gegen unsere Forderungen. Doch bei den gemeinnützigen Zwecken finden Neonazis schon heute ihre Nischen: Sie können politische Bildung betreiben, sich der Brauchtumspflege widmen, einen Sportverein aufmachen oder Strafgefangene unterstützen. Das Gemeinnützigkeits-Recht setzt eine andere Grenze, die auch künftig gelten soll: Gemeinnützig kann nicht sein, wer gegen die Rechtsordnung verstößt (Abschnitt 55 AEAO zu § 63, Ziffer 5) und wer gegen die Völkerverständigung und die Verfassung arbeitet (§ 51 III AO). Zudem sind wir der Auffassung, dass Hetze gegen Menschen nicht die Allgemeinheit fördern kann.

Die gleichen Voraussetzungen gelten für ein Vereinsverbot. Und wie der aktuelle Fall zeigt, verbieten die Behörden rechtsextreme Vereine, statt sich nur mit ihrer Gemeinnützigkeit zu beschäftigen. Bis dahin braucht es allerdings etwas Zeit, um das Verbot begründen zu können. Den Finanzämtern würde es kaum anders gehen. Letztlich sind solche Vereine meist Tarnvereine. Ihr Treiben entspricht nicht dem, was sie in ihrer Satzung behaupten. Diese „tatsächliche Geschäftsführung“ ist dann für Finanzämter der Anlass, die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Das geht allerdings nur bei rückwirkender Betrachtung der Aktivitäten, ebenso, wie die Polizei für Straf- oder Verbotsverfahren zunächst Indizien und Beweise sammeln muss.

Verboten werden können übrigens nicht nur eingetragene Vereine. Das Vereinsgesetz, das das Verbot regelt, meint damit alle Personenzusammenschlüsse. Die Innenminister können also lange vor einer Vereinseintragung und einer beantragten Gemeinnützigkeit einschreiten.

Nicht nur Einzelfälle

Politiker und Juristen meinen gelegentlich, es brauche keine Gesetzesänderung, weil es bei den Problemen mit der politischen Willensbildung nur um Einzelfälle gehe. Doch das ist ein Irrtum. Wir haben von vielen Vereinen gehört, die wegen angeblich zu politischer Betätigung Probleme mit ihrem Finanzamt haben. Oft wird der Vorwurf noch vor einer Klage ausgeräumt, doch die Vereine sind damit extrem belastet. Wir haben einige erste Fallbeispiele zusammengestellt. An der Darstellung weiterer Fälle bzw. ausführlicher Fassungen arbeiten wir. Gerne nehmen wir auch Hinweise entgegen.