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Kategorie: Zivilgesellschaft

Gemeinnützige sind selbstlos, ihre Empörung ist nicht zweckfrei

Bereits um den Jahreswechsel 2015/2016 berichteten mehrere Medien über Campact und die Forderung eines CDU-Bundestagsabgeordneten. Der hatte verlangt, die Gemeinnützigkeit von Campact zu prüfen, da der Verein Politik betreibe Der CDU-Politiker verwendete dafür bereits im Laufe des Jahres 2015 den Begriff „Empörungsindustrie“. Damit zielte er auf gemeinnützige zivilgesellschaftliche Organisationen, die gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP Stellung bezogen hatten.

Der Begriff „Empörungsindustrie“ ist perfide, denn er stellt eine der Säulen der Gemeinnützigkeit in Frage. Gemeinnützig ist, wer selbstlos das Wohl der Allgemeinheit fördert – das ist ein entscheidender Unterschied zu Industrie-Lobbyisten, die im Interesse ihrer Auftraggeber oder der eigenen Firma handeln. Genau dies ist bei gemeinnützigen Organisationen nicht der Fall.

Tag der Menschenrechte: Menschenrechts-Arbeit ist gemeinnützig

Vor 67 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet, darum wird heute der Tag der Menschenrechte begangen. Die Menschenrechte sind weder global noch in Deutschland vollständig umgesetzt, darum schließen sich Menschen in zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen, um für diese Rechte zu streiten – und nehmen dabei selbst ihre Menschenrechte in Anspruch. Doch im gesetzlichen Katalog der gemeinnützigen Zwecke fehlt die Durchsetzung der Menschenrechte.

Das ist absurd, da die Arbeit für Menschenrechte unbestritten die Allgemeinheit fördert, selbstlos erfolgt und sinnvoll ist. Menschenrechte sind nicht der einzige Zweck, der allgemein als förderwürdig gilt, für den Vereine aber nicht vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt werden können. Es fehlen zum Beispiel auch Soziale Gerechtigkeit oder die Gleichstellung aller Geschlechter.

Ein Verein, der sich für Menschenrechte einsetzt und als gemeinnützig anerkannt werden will, kann die Menschenrechte darum nur nebenbei erwähnen. Als Satzungszweck muss er sich der Aufklärung über Menschenrechte widmen oder der Entwicklungszusammenarbeit, dann also nur der Menschenrechte im Ausland. Von der Bundesregierung zu fordern, Menschenrechte durchzusetzen, kann daher vom Finanzamt moniert werden als Tätigkeit außerhalb der Satzungszwecke – die Gemeinnützigkeit ist in Gefahr.

Der Bundestag muss das Gemeinnützigkeitsrecht so ändern, dass Vereine Ziele wie Menschenrechte oder soziale Gerechtigkeit ohne Schwierigkeiten verfolgen und dafür auch mit politischen Mitteln eintreten können.

Grüne Bundestagsfraktion zu bürgerschaftlichem Engagement

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat ein Positionspapier zu bürgerschaftlichem Engagement veröffentlicht. Darin kündigt die Fraktion an, „die Liste der Zwecke der Gemeinnützigkeit im Steuerrecht (§ 52 Abgabenordnung) überprüfen und erweitern (zu wollen), um zum Beispiel die Förderung von Menschenrechten und Frieden explizit aufzunehmen“ (Seite 4). Damit hat die Fraktion eine unserer zentralen Forderungen übernommen.

Die Fraktion erkennt an, dass Engagement „Kern einer lebendigen und verantwortungsbewussten Zivilgesellschaft“ ist und dazu ehrenamtliche Arbeit ebenso gehört wie Geldspenden, dass Helfen ebenso dazu gehört wie die politische Meinungsbildung.

Wir führen die Übernahme unserer Position auch darauf zurück, dass Matthias Fiedler, Vorstand der Bewegungsstiftung, unsere Forderungen in einer Kommentar-Runde eingebracht hatte.

Die Grüne Bundestagsfraktion fordert in dem Papier zudem eine „weitest gehende Transparenz über Herkunft von Spenden, Fördermitteln und mögliche Abhängigkeiten“. Es müsse einfach nachprüfbar sein, wer von wem Gelder erhält. Dazu wollen die Grünen große Nonprofit-Organisationen zur Veröffentlichung von Jahresberichten verpflichten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen unverzichtbar für Demokratie

Zivilgesellschaftlichen Organisationen „sind der eigentliche Nährboden der Demokratie. Dafür sollen sie Unterstützung finden. Das Privileg der Gemeinnützigkeit ist die angemessene Form, ihre politische Tätigkeit zu würdigen“, schreibt der Politikwissenschaftler Dr. Rudolf Speth in einem Kommentar für die Stiftung „Aktive Bürgerschaft“ über die Gründung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Die derzeitigen Probleme bei Beiträgen zur politischen Willensbildung seien ein „gravierendes Problem“. „Die Liste der gemeinnützigen Zwecke in der Abgabenordnung muss schon allein deshalb erweitert werden, um die Substanz der Demokratie zu erhalten.“

Speth, der über Lobbying, Interessenpolitik, politische Kommunikation und bürgerschaftliches Engagement schreibt und forscht, erklärt, die Vielfalt der Gesellschaft könnten nur zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen zu Gehör bringen, da die Parteien die Gesellschaft längst nicht mehr in der gesamten Breite repräsentierten. Unbenommen sei deren Aufgabe, sich an Wahlen zu beteiligen, das politische Personal auszuwählen und auszubilden sowie dafür zu sorgen, dass politische Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.

Zum gesamten Kommentar…