Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz (JStG) 2020 haben die Landesfinanzminister*innen im September 2020 Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht angestoßen. Es folgte eine lange Verhandlung zwischen den Koalitionsparteien im Bundestag, die sich schließlich am 3. Dezember einigten. Der Bundestag hat am 16.12.2020 endgültig entschieden, der Bundesrat am 18.12.2020 zugestimmt.
Wir stellen unten eine Übersicht der Ereignisse zusammen. Eine Übersicht der Änderungen haben wir hier erstellt.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzgebungsverfahren:
Jedes Jahr legt die Bundesregierung ein Jahressteuergesetz (JStG) vor, in dem verschiedene steuerrechtliche Maßnahmen erfasst werden. Bei Gesetzentwürfen der Bundesregierung hat der Bundesrat das Recht, sich noch vor dem Deutschen Bundestag zu dem Entwurf in einer Stellungnahme zu äußern. Darauf reagiert die Bundesregierung mit einer Gegenäußerung. Beides wird gemeinsam mit dem Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht. Im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens beraten die Berichterstatter*innen, auch gemeinsam mit Sachverständigen, über den vorliegenden Gesetzentwurf und nehmen Änderungen vor. Stimmt der Bundestag dem Gesetzentwurf in der 2./3. Lesung zu, muss der Bundesrat diesem noch zustimmen.
28.12.2020: Gesetz wird veröffentlicht und tritt in Kraft
Das Artikelgesetz wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Ab diesem Datum gelten alle Änderungen an der Abgabenordnung (treten am Tag der Verkündung in Kraft).
18.12.2020: Bundesrat stimmt Jahressteuergesetz zu
Der Bundesrat hat dem vom Bundestag am 16.12.2020 verabschiedeten Jahressteuergesetz zugestimmt. Damit sind die hier von uns zusammengestellten Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht beschlossen.
16.12.2020: Abschließende Beratung im Bundestag
Der Bundestag hat das Jahressteuergesetz in der Fassung des Finanzausschusses beschlossen. Neben der umfangreichen Beschlussvorlage aus dem Finanzausschuss mit den Änderungen der Koalitionsfraktionen gab es weitere Anträge, die keine Mehrheit fanden. Die Fraktion der Linkspartei hatte einen älteren Antrag zur Gemeinnützigkeit zur Abstimmung aufgerufen. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen forderte in einem Entschließungsantrag ebenfalls weitergehende Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts. Das Thema Gemeinnützigkeit wurde von mehreren Abgeordneten aufgegriffen.
- Wir haben hier aufgeschrieben, was sich ändern wird und was noch fehlt.
- Debatte zum Nachsehen, nachlesen.
9.12.2020: Finanzausschuss entscheidet über mehr als 50 Änderungsanträge
Frühmorgens ab 7:30 Uhr hat der Bundestags-Finanzausschuss endgültig über das Jahressteuergesetz beraten und zahlreiche Änderungs- und Entschließungsanträge abgestimmt. Die Regierungsparteien CDU, SPD und CSU hatten gemeinsam 42 Änderungen eingebracht, davon ein Drittel zu Gemeinnützigkeit. Die Anträge folgen der Einigung von der Vorwoche. Nun wird daraus eine Beschlussvorlage für den Bundestag erstellt, der am Mittwoch oder Donnerstag kommende Woche das Gesetz beschließen wird.
3.12.2020: Einigung in der Koalition, keine Klarstellung für politische Betätigung
Die Koalitionsfraktionen haben sich geeinigt. Leider ohne die von uns geforderte
Klarstellung bei politischer Betätigung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Dies bedauern wir sehr, auch wenn es einige Verbesserungen für gemeinnützige Organisationen geben wird. So soll es neue Zwecke wie Klimaschutz oder „Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer
geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“ geben.
Die intensiven Verhandlungen der Koalition in den letzten Monaten zeigen, dass es Bewegung in dem Thema gibt und wir unsere Bemühungen jetzt nicht aufgeben dürfen. Wir werden uns als Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ gemeinsam mit unseren Mitgliedsorganisationen weiterhin für die Schaffung eines sicheren Rechtsrahmens einsetzen. Denn es besteht weiterhin die Gefahr, dass anti-demokratisches Engagement unwidersprochen bleibt, weil sich ein Sportverein oder ein Heimatverein nicht sicher sind, ob sie mit einer dagegen gerichteten Positionierung ihre Gemeinnützigkeit riskieren. Eine auch mal laute, sich einmischende Zivilgesellschaft als Themenanwältin und Wächterin über Grundrechte und
Rechtsstaatlichkeit ist in einer liberalen Demokratie unverzichtbar und braucht Rechtssicherheit.
25.11.2020: Erneute Verschiebung, keine Einigung in der Koalition
Die FAZ berichtet, dass das Jahressteuergesetz insbesondere wegen Uneinigkeit zum Gemeinnützigkeitsrecht verschoben wird. Die Fraktion von CDU und CSU sperre sich gegen Klarstellungen zum demokratischen Engagement, während das SPD-geführte Bundesfinanzministerium erreichen wolle, dass sich Sportvereine rechtssicher gegen Rassismus engagieren können.
Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ appelliert in einer Pressemitteilung an die Regierungsparteien, „dringend Rechtssicherheit für demokratisches Engagement zu schaffen, damit anti-demokratisches Engagement nicht unwidersprochen bleibt. Es ist überfällig, das Gemeinnützigkeitsrecht ins 21. Jahrhundert zu bringen.“
Sieben Organisationen aus dem Trägerkreis der Initiative Transparente Zivilgesellschaft fordern „mehr Rechtssicherheit im Gemeinnützigkeitsrecht für eine selbstlose Beteiligung der Zivilgesellschaft an der politischen Willensbildung“. Das Gemeinnützigkeitsrecht sei nicht mehr zeitgemäß. „Eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts muss die Zivilgesellschaft stärken und es gemeinnützigen Organisationen explizit erlauben, sich politisch zu äußern und die eigenen Zwecke auch überwiegend oder ausschließlich mit politischen Mitteln zu verfolgen.“
18.11.2020: Noch keine Einigung in der Koalition
Viele Punkte im Jahressteuergesetz insgesamt, aber auch Fragen zu Gemeinnützigkeit, sind zwischen den Koalitions-Parteien CDU, SPD und CSU noch strittig. Die geplante Verabschiedung wurde daher zum zweiten Mal verschoben, diesmal auf die Woche ab 23. November.
SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich hat 381.000 Unterschriften zu Forderungen ans Gemeinnützigkeitsrecht entgegen genommen. Sein Kollege Ralph Brinkhaus von der CDU/CSU-Fraktion hat Anfragen dazu noch nicht beantwortet.
6.11.2020: Laut TAZ blockiert die Union das Verfahren
Laut aktuellem TAZ-Artikel blockiert die Union die Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht. Die SPD hingegen will den Kompromiss der Landesfinanzminister*innen umsetzen.
4.11.2020: Finanzausschuss vertagt 2./3. Lesung des Jahressteuergesetz 2020
Finanzausschuss des Bundestages beschließt die 2./3. Lesung des Jahressteuergesetzes wegen Beratungsbedarf – u.a. zu Gemeinnützigkeit – zu verschieben. Die für den 6.11.2020 geplante Verabschiedung wird um eine Sitzungswoche (zwei Wochen) auf die KW47 (16.11.-20.11.2020) verschoben.
4.11.2020: Dachverbände und Netzwerke veröffentlichen gemeinsames Statement
Mit einem gemeinsamen Statement haben zwölf Dachverbände und Netzwerke aus unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft auf die Notwendigkeit einer Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts hingewiesen. “Unsere Mitglieder stiften Gemeinschaft, fördern das Zusammenleben und geben immer wieder kritische Impulse für die gesellschaftliche Weiterentwicklung. Die im Rahmen des Jahressteuergesetzes angestoßenen Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht machen die Arbeit vieler gemeinnütziger Vereine und Stiftungen einfacher. Doch die Vorschläge sind nicht ausreichend und schaffen nicht die notwendige Rechtssicherheit”, so die Position der beteiligten Organisationen.
2.11.2020: 13 zivilgesellschaftliche Organisationen veröffentlichen gemeinsamen Forderungskatalog
In einem gemeinsamen Forderungskatalog greifen dreizehn zivilgesellschaftliche Organisationen fünf Kernforderungen der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ auf, erläutern diese und bieten Lösungsansätze an.
26.10.2020: Öffentliche Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages
Der Finanzausschuss des Bundestages berät sich mit Sachverständigen zum Jahressteuergesetz 2020. Verschiedene Sachverständige weisen auf Lücken im Gemeinnützigkeitsrecht hin und drängen auf Reform.
21.10.2020: Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates
In ihrer Gegenäußerung stimmt die Bundesregierung den Vorschlägen des Bundesrates zu bzw. will diese prüfen. Eine Ergänzung um den Vorschlag der Landesfinanzminister*innen vom 24.9.2020 um die Klarstellung bei der politischen Betätigung für eigene Zwecke und bei Gelegenheit für satzungsfremde Zwecke ist in der Gegenäußerung nicht enthalten.
Die SPD-Bundestagsfraktion erklärt am 23. Oktober in einer Pressemitteilung: „Auch gemeinnützige Organisationen sollen ihre zivilgesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen dürfen. … Wir wollen mit dem Jahressteuergesetz 2020 rechtlich klarstellen, dass sich gemeinnützige Organisationen in politischen Entscheidungsprozessen für ihre Zielsetzungen einbringen und Stellung beziehen können.“
9.10.2020: Bundesrat beschließt Stellungnahme zum JStG-Entwurf der Bundesregierung
Der Bundesrat berät über die Ausschussvorlage der Landesfinanzminister*innen und streicht den für zivilgesellschaftliche Organisationen wichtigen Absatz zur politischen Betätigung aus seiner Stellungnahme zum Jahressteuergesetz.
8.10.2020: Bundestag berät in erster Lesung das Jahressteuergesetz 2020
Bei der 1. Lesung des Jahressteuergesetz 2020 im Bundestag wurde das Thema Gemeinnützigkeit nur von Lisa Paus, MdB (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) aufgegriffen.
6.10.2020: Beschlussempfehlung für die Bundesratssitzung am Freitag, 9.Oktober 2020 liegt vor
Eine Übersicht der vorgeschlagenen Änderungen aus Sicht der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ gibt es hier:
Schon 2019 versuchte es der Bundesrat, damals lehnte die Bundesregierung mit Verweis auf kommendes eigenes Gesetz ab.
24.9.2020: Landesfinanzminister*innen regen Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht an
Die Landesfinanzminister*innen stimmen mehrheitlich dafür im Rahmen des Jahressteuergesetzes auch Klarstellungen im Gemeinnützigkeitsrecht herzustellen. Der wichtigste Vorschlag aus Sicht der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ ist, dass ins Gemeinnützigkeitsrecht folgende Regel aufgenommen werden soll: “Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre steuerbegünstigte Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist.” (Quelle: https://twitter.com/ADressel/status/1309079356602560512)