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Deutschland verliert Vorreiterrolle bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.

  • Deutschland verliert Vorreiterrolle bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
  • Fünf Wochen nach Attac-Urteil: Sorge in anderen EU-Ländern

Fünf Wochen nach dem Attac-Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) sind gemeinnützige Organisationen weiter in Unruhe, während beruhigende Signale aus der Bundesregierung fehlen. Die Beunruhigung bei Vereinen und Stiftungen führt zu einer Solidarisierung über Themenfelder hinweg und zu einer Bewusstwerdung der eigenen wichtigen Rolle in der politischen Willensbildung. Der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ haben sich seit dem Attac-Urteil 20 weitere Organisationen angeschlossen, so dass sie jetzt aus mehr als 100 Vereinen und Stiftungen besteht.

Unruhe und Aufmerksamkeit verursacht das Urteil auch jenseits der deutschen Grenzen. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Journalisten aus Polen, Ungarn, Frankreich, Italien und weiteren europäischen Ländern fragen besorgt nach den Entwicklungen in Deutschland. Auf EU-Ebene ist die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen als unverzichtbarer unabhängiger und selbstloser Wächter rechtsstaatlicher Institutionen anerkannt. Die EU-Kommission kofinanziert deshalb solche Organisationen (z.B. Finance Watch). Doch in Deutschland fehlt die politische Anerkennung und rechtliche Absicherung solcher Organisationen.

„Deutschland läuft Gefahr, bei Rechtsstaatlichkeit und Demokratie seine Vorreiterrolle und Leuchtturmfunktion zu verlieren, wie es in der Klima- und Umweltpolitik längst passiert ist“, erklärt dazu Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. „In Ungarn oder Polen ist die Zivilgesellschaft stärker unter Druck als hierzulande, dennoch sind Aktivist*innen dort besorgt über das Attac-Urteil und seine Folgen. Denn auf welche Standards sollen sie sich berufen, wenn die deutsche Regierung Demokratie-Wächter nicht schützt und eine Regierungspartei zivilgesellschaftliche Organisationen verbal attackiert? Können Sie sich noch auf die Unterstützung der Bundesregierung und der deutschen parteinahen Stiftungsvereine verlassen?“

Deutsches Recht verstärkt wirtschaftliches Ungleichgewicht

Das deutsche Recht behandelt Interessenvertretung ungleich und verstärkt damit das vorhandene Ungleichgewicht der finanziellen Möglichkeiten. Während die Vertretung eigener wirtschaftlicher Interessen stets steuerbegünstigt ist, entweder als Betriebskosten oder als Beitrag zu einem Berufsverband, ist das selbstlose Engagement für Demokratie und Menschenrechte oft nicht steuerbegünstigt. Die steuerbegünstigten Berufsverbände dürfen sich unbegrenzt politisch einmischen und sogar bis zu zehn Prozent ihrer Einnahmen an Parteien spenden. Eine Organisation, die sich selbstlos für ein gerechteres Steuersystem einsetzt, muss offenbar auf jede Steuerbegünstigung verzichten. Dafür verzichtet der Staat auf jede Kontrolle dieser Organisation, wenn sie nicht gemeinnützig ist. Wer gemeinnützig war, dem droht durch eine Aberkennung dieses Status der Konkurs.

„Wenn ich meinen Branchenverband dafür bezahle oder einer Partei dafür spende, dass sie sich dafür einsetzen, dass ich weniger Steuern zahle, ist das für mich steuerbegünstigt. Wenn ich Attac dafür spende, dass ich mehr Steuern zahle, ist das nicht steuerbegünstigt“, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer die Ungleichbehandlung.

Eine Vielzahl von Vereinen und Stiftungen fühlt sich durch das unklare Gemeinnützigkeitsrecht bedroht. Mehr als 100 Vereine und Stiftungen haben sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammen geschlossen, um das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und die selbstlose politische Einmischung etwa für Grundrechte und gemeinnützige Zwecke abzusichern. Campact und Attac sind Mitglieder der Allianz.

Hintergrund-Text zu beschränktem Freiraum in Deutschland

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Politische Ökologie“ beschreibt Stefan Diefenbach-Trommer, wie in Deutschland bereits zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume beschränkt werden.