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Zwischenbilanz: Was sich von 2015 bis 2021 getan hat

Anfang des Jahres 2022 werfen wir mit diesem Text einen Blick darauf, was sich in sieben Jahren Arbeit der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ getan hat.

Gründungsfunke: Der Fall Attac

Gründungsfunke der Allianz war das Attac-Verfahren und die Erkenntnis, dass viele Bewegungsorganisationen immer wieder Probleme mit der Gemeinnützigkeit haben: Entweder tatsächliche Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt oder ständige Angst vor Fragen und Aberkennung; daraus folgend auch ein vermeidendes Verhalten: Bestimmte Dinge nicht tun oder in Berichten verschleiern.

Hinzu kam ein Gefühl verstärkter Kontrolle, ausgelöst durch eine sich mehr polarisierende Gesellschaft und/oder genauere Prüfung der Finanzämter auch bestehender Satzungen durch den neuen §60a AO (Satzungsanerkennung).

Es stellte sich heraus, dass keine bestehenden Akteur:innen sich diesem Thema widmen können: Die einzelnen Organisationen mangels Ressourcen, Dachverbände bis hin zum „Bündnis für Gemeinnützigkeit“ mangels gemeinsamen Willen (Widerstand zumindest einzelner Dachverbände bzw. andere Problemwahrnehmung). Doch es brauchte einen politischen Arm für Rechtsänderungen neben den juristischen Auseinandersetzungen (plus Kampagne) von Attac, BUND und anderen.

Daraus entstand eine zunächst kleine Runde bundesweit tätiger Organisationen, die konkrete Forderungen ans Gemeinnützigkeitsrecht formulierte. Im Juli 2015 traten wir mit 40 Organisationen an die Öffentlichkeit.

Heute ist die Allianz mehr als ein Bündnis oder ein Projekt, sondern eine eigene Organisation (Verein von Vereinen und Stiftungen) mit starker Exekutive (Büro mit Angestellten) und Budget.

Die Allianz füllt eine Lücke

Die Allianz hat die erkannte Lücke schnell und kompetent gefüllt als Fachorganisation, aber auch als Sprecherin eines Subsektors politisch tätiger Organisationen, die größtenteils in den großen Dachverbänden nicht vertreten sind (oder dort eine Minderheit bilden). Dieser Subsektor hatte daher in der Bundespolitik kein Sprachrohr und wurde nur bedingt wahrgenommen.

Durch die Advocacy- und Öffentlichkeitsarbeit der Allianz wurde sie gegenüber Dritten (Parteien, Fraktionen, Bundesregierung, andere Dachverbände) zur Sprecherin dieses Subsektors, auch über die Mitgliedsorganisationen hinaus. Erst durch die Arbeit der Allianz wurde manchen dieser Subsektor bewusst.

Die zuvor bestehende Lücke zeigt sich auch dadurch, dass die Allianz häufig Beratungsfragen erreichen, aus der Mitgliedschaft und darüber hinaus.

Das Attac-Urteil von Anfang 2019 zeigte, wie vorausschauend es war, frühzeitig eine Allianz von Organisationen zu bilden und für diese Lücke eine Akteurin zu schaffen. Die Allianz als Akteurin konnte für die Organisationen sprechen und ihnen Analyse und Unterstützung zur Verfügung stellen. Die Zahl der Mitglieder hat sich seit dem Attac-Urteil mehr als verdoppelt.

Sprecherin eines Subsektors und Service-Angebote

Ähnlich wie die meisten Dachverbände bietet die Allianz (mit begrenzten Möglichkeiten) neben ihrer Advocacy-Arbeit weitere Service-Angebote: (Rechts)Beratung, Information, Austausch und mehr. Organisationen, die zu keinem Dachverband gehören, haben oft keine anderen Ansprechpersonen; die meisten keine eigene Rechtsabteilung oder Ressourcen für Anwält:innen.

Beratung und weitere Dachverbands-Funktionen bietet die Allianz nur in begrenztem Umfang an. Viele Dachverbände rufen für den Service höhere Beiträge aus und/oder finanzieren große Teile ihrer Arbeit über staatliche Zuwendungen.

Mehr als Gemeinnützigkeitsrecht

In den sieben Jahren Allianz-Arbeit hat sich gezeigt, dass das Thema weit über kleine rechtliche Änderungen hinaus geht. Damit Politiker:innen (oder Fachleute aus den Ministerien) die Forderungen überhaupt anschauen, braucht es zunächst ein Verständnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen, des spezifischen Subsektors und seiner partei-unabhängigen Funktion in der demokratischen Willensbildung sowie zum Schutz von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Die Arbeit der Allianz geht darum regelmäßig weit über steuerrechtliche Fragen hinaus.

Dabei wird die Allianz mit zahlreichen Fragen und benachbarten Themen konfrontiert, zu denen wir zwangsläufig Antworten geben müssen. Zum Beispiel:

  • Grundsätzliche Fragen zur Funktion zivilgesellschaftlicher Organisationen im demokratischen Prozess
  • Unterschied und Abgrenzung zu Parteien
  • Rolle in Wahlkämpfen
  • Abgrenzung zu Demokratie-Feinden („Das darf nicht Pegida nutzen“)
  • Ethische Überlegungen: „Geistige Offenheit“, Wahrhaftigkeit versus Lügen/Fake-News
  • Auch unabhängig von allgemeinen Ethik-Fragen: Anforderungen an Transparenz mindestens zur Mittelherkunft (insbesondere im Zusammenhang Parteienrecht)
  • Europäisches Vereins-/Gemeinnützigkeitsrecht
  • Phänomene in Nachbarländern
  • Freiheitsrechte, Shrinking Spaces
  • Widerstände anderer gemeinnütziger Subsektoren (Sorge davor, dass ihre Arbeit beschränkt oder anders bewertet wird), Frage nach Umfang/Größe des Problems
  • Frage nach Beispielen, nach Umfang und Größe des Problems

Zum Teil werden diese Themen gut und ausreichend von etablierten Fachorganisationen bearbeitet. Zum Teil ist der Zusammenhang mit unserem Kernthema so eng, dass wir uns selbst damit beschäftigen müssen – in enger Koordination mit Expert:innen anderer Fachorganisationen oder auch eigenständig.

Eine Akteurin im Politikfeld Demokratie

Zu den Lehren gehört auch, dass das Gemeinnützigkeitsrecht zwar Steuerrecht ist, es aber um ganz grundsätzliche Fragen demokratischer Verfasstheit geht, um Demokratiepolitik. Dies ist ein Politikbereich, der kaum formatiert ist, für den es keine eindeutigen Zuständigkeiten gibt. Er wird teils von einzelnen dazu engagierten Politiker:innen betrieben, teils von Spitzenleuten der Parteien. Die Steuerfachleute der Fraktionen und Parteien haben dazu nur manchmal eine Verbindung.

Aus dieser Erfahrung ergibt sich, dass die Allianz schon lange nicht mehr nur auf dem Gebiet des Gemeinnützigkeitsrechts tätig ist. Die Forderungen zum Gemeinnützigkeitsrecht sind weiter richtig und wichtig, aber nicht unsere einzigen Forderungen.

Wir tragen (wie viele andere Organisationen und Institutionen auf ihre Weise) bei zum Thema Demokratiepolitik: Zu einer demokratischen, an Menschenrechten und der Menschenwürde orientierten Gesellschaft, zu einem demokratischen Rechtsstaat. Das tun wir in dem Bereich zivilgesellschaftlicher Beteiligung, davon ausgehend, dass diese Beteiligung eines von vielen Fundamenten ist. Es geht uns dabei in erster Linie um zivilgesellschaftliche Organisationen, die in den Funktionen Wächterin und Themenanwältin arbeiten.

Unsere Mission ist, dass deren wichtige Funktion anerkannt, gefördert und geschützt wird; dass Staat und Gesellschaft dafür breite Räume schaffen.

Wir arbeiten am Ziel, dass zivilgesellschaftlichen Organisationen freie und sichere Handlungsräume haben, also an Rechtssicherheit und möglichst geringer Belastung durch Bürokratie-Anforderungen oder andere staatliche Anforderungen. Wir wirken dazu insbesondere auf dem Feld des Gemeinnützigkeitsrechts, da dies das prägende Recht des zivilgesellschaftlichen Sektors ist. Es gibt weitere Rechtsgebiete, die Handlungsräume und Beschränkungen definieren.

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