Visit page
Zum Inhalt springen

Dona Carmen wieder gemeinnützig – Finanzamt nimmt nach 30 Monaten Fehlentscheidung zurück

Nach zweieinhalb Jahren hat das Finanzamt Frankfurt dem „Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten Dona Carmen“ die Gemeinnützigkeit zurückgegeben und damit seine ursprüngliche Entscheidung als falsch eingestanden. Die Auseinandersetzung zeigt Probleme, vor denen viele gemeinnützige Organisationen stehen. Das Gesetz ist so kompliziert, dass der Status der Gemeinnützigkeit offenbar weniger von Zielen und Tätigkeiten eines Vereins abhängt als davon, wie viel Geld der Verein für Anwältinnen und Steuerberater ausgeben kann. Der Bundestag muss zügig Klarheit und Rechtssicherheit herstellen, um bürgerschaftliches Engagement für die Gesellschaft zu fördern statt in der Bürokratie zu zermalmen.

Im Fall Dona Carmen hat das Finanzamt alle seine vorherigen Entscheidungen revidiert und dem Verein die Gemeinnützigkeit wieder rückwirkend zugesprochen, nachdem der Verein Klage eingereicht und ein Anwalt die Klage begründet hatte. Bis dahin musste der Verein um seine Existenz bangen und mit dem Vorwurf leben, dass seine Tätigkeit nicht gemeinnützig sei.

Das Finanzamt hatte gegenüber Dona Carmen zunächst blitzschnell den Druck von Null auf Hundert gesteigert, diesen Druck über zweieinhalb Jahre gehalten, um dann eine Kehrtwende hinzulegen und allen Druck abzulassen.

Der Verein hatte turnusgemäß seine Steuererklärung für 2011 bis 2013 abgegeben. Daraufhin hatte das Finanzamt am 25. September 2015 die Gemeinnützigkeit entzogen und verlangt, dass der Verein sein Vermögen abführt, damit es gemeinnützigen Zwecken zugute kommt. Das ist die schwerste mögliche Sanktion für gemeinnützige Organisationen. Dafür muss ein Verein so massiv gegen Gebote der Gemeinnützigkeit verstoßen haben, dass der Fehler einem Vermögensverbrauch nahe kommt. Zugleich unterstellt dieser Entzug, dass der Verein auch in Zukunft nicht gemeinnützig sein kann.

Von 0 auf 100: Finanzamt griff zu schärfster Sanktion

Dem Finanzamt stehen schwächere Sanktionen zur Verfügung: Es könnte verlangen, dass bestimmte Tätigkeiten künftig unterlassen werden sollen. Es könnte feststellen, dass einzelne Tätigkeiten nicht gemeinnützig waren und lediglich für diese Ausgaben eine Nachversteuerung wegen Mittelfehlverwendung verlangen. Es könnte für ein einzelnes Jahr die Gemeinnützigkeit aberkennen, wie es beim Deutschen Fußballbund (DFB) erfolgt ist. Vor allem sollte es vor einer Entscheidung zunächst den Verein anhören und die Umstände ermitteln, statt gleich einen wirksamen Bescheid zu erlassen.

Aufgrund unbewiesener Behauptungen und Vermutungen des Finanzamtes musste Dona Carmen zweieinhalb Jahre ohne den Status der Gemeinnützigkeit arbeiten. Spenderinnen und Spender konnten keine Zuwendungsbescheinigungen für ihre Steuererklärung erhalten. Der Verein musste viel Zeit und Geld aufwenden, um seine Gemeinnützigkeit zu verteidigen. Viele Gemeinnützigkeits-Verfahren finden wie in diesem Fall vorgerichtlich statt: Der Verein hatte zwar bereits Klage erhoben, aber es kam nicht zur Verhandlung, weil das Finanzamt ohne weitere Begründung die Aberkennung aufhob.

Im ursprünglichen Bescheid vom 25. September 2015 und im Einspruchsbescheid vom 24. August 2017 hatte das Finanzamt unter anderem behauptet, der Verein sei zu politisch. Ähnlich wie beim Gemeinnützigkeits-Streit von Attac hatte es behauptet, die Bildungsarbeit des Vereins diene anderen Zwecken wie „der Verbreitung der Ansichten und rechtspolitischen Vorstellungen“ des Vereins, es würden „keine Kenntnisse oder Bildungsinhalte vermittelt“. Das Finanzamt hat dabei von Anfang an verkannt, was ein Anspruch demokratischer Bildung sein muss und dass der Verein darüber hinaus für weitere Zwecke wie die Förderung des Gesundheitswesens gemeinnützig war.

Empörend: Entzug der Gemeinnützigkeit ohne Anhörung

Empörend ist, dass das Finanzamt ohne Anhörung und Aufklärung des Sachverhalts zur schärfst möglichen Sanktion gegriffen hat, dem Gemeinnützigkeitsentzug – und dass es im Fortgang noch immer neue Vorwürfe erhob, statt auf die Argumente des Vereins einzugehen. Erst eine Klagebegründung eines Fachanwalts hat das Finanzamt zum Einlenken gebracht. Dies ist das Gegenteil der Förderung bürgerschaftlichen Engagements.

Der Bundestag könnte solche Verfahren vermeiden, indem er die Liste gemeinnütziger Zwecke angemessen erweitert und das Verfahren klarer regelt. Bereits bei der ersten Anerkennung der Gemeinnützigkeit verzweifeln viele Initiativen an den Kompliziertheiten des Verfahrens.

Übrigens: Das Gemeinnützigkeits-Verfahren von Attac ist mittlerweile ins fünfte Jahr gegangen…