Der Staat kann mit Polizei und Justiz Verletzungen von Grundrechten, Rassismus und Hasskriminalität verfolgen und ahnden. Doch die Voraussetzungen einer Demokratie, Respekt und Akzeptanz gemeinsamer Werte, kann er nicht verordnen. Die Voraussetzungen dafür schaffen vor allem Bürgerinnen und Bürger durch ihr Zusammenleben, durch ihr Engagement in zivilgesellschaftlichen Organisationen. Doch genau dieses Engagement ist durch Lücken im Gemeinnützigkeitsrecht und das Attac-Urteil bedroht. Der Staat müsste noch vor Gesetzesänderungen Schutz geben, im ersten von drei Schritten mit einem Erlass des Bundesfinanzministeriums.
Drei Schritte zum Schutz zivilgesellschaftlicher Organisationen hat Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, in einem Artikel für die Stiftung Mitarbeit skizziert: Sofort ein schützender Erlass, dann zügig Ergänzungen und Klarstellungen in die Abgabenordnung schrieben, mittelfristig über einen passenderen Rechtsrahmen nachdenken.
In zivilgesellschaftlichen Organisationen werden Werte des Grundgesetzes verankert und die Organisationen können Warnsignale geben. Der Staat kann für dieses Engagement Voraussetzungen schaffen und es fördern. Doch das Recht der Gemeinnützigkeit begrenzt dieses Engagement derzeit eher. Stattdessen bangen nicht erst seit dem Attac-Urteil des Bundesfinanzhofes vor einem Jahr Vereine und Stiftungen in Deutschland immer wieder um ihre Gemeinnützigkeit. Bei Neu-Gründungen finden sie in der Abgabenordnung oft keine passenden Zwecke zu ihren Anliegen. Wenn sie sich für die Demokratie engagieren und sich gemäß ihrer gemeinnützigen Zwecke mit Forderungen in die politische Willensbildung einmischen, rügen Finanzämter diese Tätigkeit als zu politisch.
Klar benannte Zwecke für Engagement gegen Rassismus und für Menschenrechte fehlen. Vereine von Schwarzen Menschen und People of Color bekommen gar mahnende Briefe vom Finanzamt, weil die Frage nicht geklärt ist, ob Engagement gegen Rassismus und Empowerment für Minderheiten gemeinnützig ist, wie Ferda Ataman von den Neuen Deutschen Organisationen berichtet. Wie viel Engagement aus Sorge um die Gemeinnützigkeit eines Vereins erst gar nicht stattfindet, weiß niemand.
Mit dem Attac-Urteil, das am 26. Februar 2019 veröffentlicht wurde, und dessen amtlicher Veröffentlichung durch das Bundesfinanzministerium im Sommer 2019 ist aus der Sorge um schrumpfende Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft eine konkrete Bedrohung geworden. Bedroht sind vor allem jene Vereine und Stiftungen, die mangels passender Zwecke für ihre Arbeit auf den Zweck der (politischen) Bildung verwiesen wurden. Genau diesen Zweck hatte das Bundesgericht mit seinem Urteil massiv eingeschränkt und zudem mit missverständlichen Leitsätzen und Fehlschlüssen begründet und garniert.
Das Attac-Urteil wird in diesem Jahr auf hunderte, wenn nicht tausende Vereine angewandt werden. Die Zahl der Aberkennungen wird steigen, wenn Parlament und Regierung nicht schnell handeln. Noch vor einer Gesetzesänderung könnte das Bundesfinanzministerium mit einem Erlass gefährdete Vereine und Stiftungen schützen.