Stand: 19.10.2021
Unsere Forderung: Klarstellung, dass die Beteiligung an der politischen Willensbildung unschädlich für die Gemeinnützigkeit ist
Obwohl das Gesetz kein Verbot politischer Mittel vorsieht, herrscht große Unklarheit, was erlaubt ist – sowohl bei Finanzämtern als auch bei Vereinen und Stiftungen. Daher ist eine gesetzliche Klarstellung nötig, dass zur Zweckverfolgung auch die überwiegende oder ausschließliche Einwirkung auf die politische Willensbildung, die öffentliche Meinung, politische Parteien und staatliche Entscheidungen gehören. Ein gesetzgeberischer Impuls hätte Auswirkungen auf Verwaltungspraxis, Anwendungserlass und Rechtsprechung. Wir schlagen dazu einen neuen Absatz in in § 51 oder § 52 der AO vor.
Auch für politische Mittel gelten die Grenzen der allgemeinen Gesetze. Zu den zulässigen politischen Mitteln zur Zweckverfolgung dürfte nicht der Versuch gehören, selbst an politische Macht zu gelangen, etwa durch Wahlen. Politische Mittel zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke sind kein (allgemein)politisches Mandat.
Eine Übersicht all unserer Forderungen gibt es hier.
Inhaltsverzeichnis
Formulierungsvorschläge
Verschiedene Varianten der Allianz (Stand September 2020): Ergänzung des §51 oder §52 AO um einen neuen Absatz 3
Wir regen einen neuen Absatz in §52 (oder noch übergreifender in §51) an. Die Aufnahme in §51 und §52 steht am Anfang prominent und deutlich. Eine alternativ diskutierte Formulierung in §58 erscheint weniger passend, da dies ursprünglich vor allem eine Liste von erlaubten Ausnahmen des Ausschließlichkeits- und Selbstlosigkeits-Gebots darstellt. Die folgenden Formulierungen gehen von einen neuen Absatz 3 in §52 aus:
- „Zwecke werden auch dann nach Absatz 1 Satz 1 gemeinnützig verfolgt, wenn dazu politische Mittel genutzt werden wie die Einwirkung auf die politische Willensbildung, auch auf politische Parteien und staatliche Entscheidungen. Zu den zulässigen politischen Mitteln zur Zweckverfolgung gehört nicht der Versuch, selbst an politische Macht zu gelangen, etwa durch Wahlen.“
oder - „Zwecke werden auch dann nach Absatz 1 Satz 1 gemeinnützig verfolgt, wenn eine Körperschaft sie durch die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt.“
oder - „Zwecke werden auch dann nach Absatz 1 Satz 1 gemeinnützig verfolgt, wenn eine Körperschaft sie durch die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt. Dies umfasst u.a. die öffentliche Meinungsbildung, die Initiierung von Volksbegehren und die Beeinflussung von Wahlen im Sinne des Satzungszweckes.“
Mögliche Präzisierung mit Definition „politischer Zweck“ (in Abgrenzung zu politischen Mitteln):
„Die Gemeinnützigkeit ist zu versagen, wenn die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck in dem Sinne verfolgt, dass sie versucht, politische Macht zu erlangen, oder wenn entsprechende Mittel zur Zweckverwirklichung in der Satzung festgelegt sind.“
Vorschlag des Bundesverband Deutscher Stiftungen vom Juni 2020:
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen schlägt im Juni 2020 eine Ergänzung wahlweise in § 56, § 63 oder § 51 Abs. 4 AO vor:
- „Eine Körperschaft kann sich in Erfüllung ihrer steuerbegünstigten Zwecke politisch betätigen.“
Gesetzesentwurf “Gesellschaft für Freiheitsrechte” (GFF), August 2021
Die GFF hat einen umfassenden Gesetzesentwurf (“Gesetz zur Stärkung des demokratischen Engagements und einer lebendigen Zivilgesellschaft – Demokratiestärkungsgesetz – DemoStärkG”) vorgelegt (mehr dazu siehe hier; direkt zum Gesetzesentwurf hier). Darin wird als neuer Absatz 3 zu §52 AO vorgeschlagen:
- „Gemeinnützige Zwecke werden auch dann nach Absatz 1 Satz 1 verfolgt, wenn eine Körperschaft sie ausschließlich oder überwiegend durch die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung fördert.“
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Juni 2019
Der BUND hatte im Juni 2019 erste Formulierungsvorschläge gemacht und schlägt darin diesen neuen Absatz 3 in § 52 AO vor:
- „Eine Körperschaft kann sich zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke politisch betätigen, und zwar insbesondere in den Politikfeldern, die ihren Satzungszweck berühren. Dies umfasst die öffentliche Meinungsbildung, die Initiierung von Volksbegehren und die Beteiligung sowie die Beeinflussung von Wahlen im Sinne des Satzungszweckes.„
Finanzausschuss Bundesrat (September 2020)
Die Mehrheit der Landesfinanzanzminister*innen hatte am 24. September 2020 beschlossen, für das Jahressteuergesetz 2020 diese Ergänzung zu § 58 AO zu prüfen:
„(Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass)
eine steuerbegünstigte Körperschaft bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre steuerbegünstigte Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist.“
Im Bundesrat fand der Vorschlag jedoch keine Mehrheit. Wir halten den Vorschlag nicht für die beste Formulierung, aber für eine Verbesserung des Status quo. Damit wäre abgesichert worden, dass etwa ein Verein zur Förderung von Radwegen mit dem gemeinnützigen Zweck “Umweltschutz” auch nur mit politischen Forderungen sein Ziel verfolgt. Gleiches würde gelten für einen Verein zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Jedoch steht die Formulierung an der falschen Stelle.
Möglich werden sollte mit der Änderung laut Begründung auch ein „Aufruf eines Sportvereins gegen Rassismus anlässlich von Vorkommnissen bei einem Fußballspiel“ oder „wenn Karnevals- oder Sportvereine sich für Frieden oder gegen Rassismus engagieren und zu Friedens- oder Antirassismus-Demonstrationen aufrufen“. Tatsächlich bräuchte es dazu eher eine andere Formulierung.
Im Bundestag wandte sich die CDU/CSU-Fraktion gegen den Vorschlag, da ihrer Auffassung nach Auffassung klar sei, dass eine gemeinnützige Körperschaft sich politisch betätigen könne, wenn der gemeinnützige Zweck damit verfolgt werde.