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Gericht gibt Attac Gemeinnützigkeit zurück

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Pressemitteilung vom 10. November 2016

Das Finanzgericht Kassel hat entschieden, dass die Aktivitäten von Attac gemeinnützig sind. Damit hat es die Auslegung des Gesetzes durch das Finanzamt als rechtswidrig aufgehoben. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit erfolgte zu Unrecht. Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 60 Vereinen und Stiftungen, erklärt dazu:

„Wer sich für die demokratische Grundordnung, Rechtsstaatlichkeit, Solidarität und ein gerechtes Steuersystem einsetzt und damit natürlich auf die Politik einwirkt, kann gemeinnützig sein, hat das Finanzgericht bestätigt. Damit sollte der Mythos Geschichte sein, dass das Gesetz zwischen politischen und gemeinnützigen Zwecken unterscheidet. Diese Behauptung ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Selbstloses politisches Engagement findet auch außerhalb von Parteien und Parlamenten statt. Es nutzt der Gesellschaft, es wirkt Polarisierung entgegen. Deshalb ist es förderungswürdig.

Die Bundesregierung muss den Anwendungserlass zur Abgabenordnung ändern, damit Finanzämter nicht weiterhin falsch entscheiden. Dafür muss sich auch der hessische Finanzminister Thomas Schäfer einsetzen. Attac musste zwei Jahre um seine Gemeinnützigkeit streiten – und noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Diese Rechtsunsicherheit ist unzumutbar.

Dabei geht es nicht nur um Attac. Der geltende Erlass fesselt das Engagement vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen. Konflikte mit dem Finanzamt um politisches Engagement sind Alltag. Viele demokratische Initiativen können bereits bei ihrer Gründung keine Gemeinnützigkeit erlangen. Andere Vereine trauen sich erst gar nicht, politische Forderungen zu erheben.

Viele die Allgemeinheit fördernde Anliegen wie Frieden, Menschenrechte oder soziale Gerechtigkeit sind durch das Gesetz als gemeinnützig gedeckt, werden dort aber nicht ausdrücklich genannt. Der Erlass muss diese Zwecke aufzählen, damit Vereinsgründer und Finanzämter eine klare Orientierung haben.“

Hinweis/Aktualisierung: Die Entscheidung des Finanzgerichts ist rechtskräftig. Eine Revision zum Bundesfinanzhof wurde nicht zugelassen. Das Finanzamt kann dagegen Beschwerde einlegen, die an der Wirkung der Gerichtsentscheidung nichts ändert. Ob das Finanzamt Beschwerde einlegt, ist nicht bekannt. Es gab am Tag des Urteils verschiedene Hinweise und Interpretationen, ob das Urteil bereits rechtskräftig ist. Nach Angabe des Finanzgerichts ist es noch nicht rechtskräftig. Das Finanzamt kann beim BFH Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen, ein Revisionsverfahren ist daher möglich.

Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ ist ein Zusammenschluss von mehr als 60 Vereinen und Stiftungen, die ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht fordern. Zivilgesellschaft ist gemeinnützig – doch Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich regelmäßig politisch äußern, sind ständig der Gefahr ausgesetzt, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Die Allianz fordert gesetzliche Klarstellungen, um Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen zu schaffen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen mischen sich in die Politik ein, mit Protest, Studien, Beratung oder auf andere Weise, ohne dabei politische Partei zu sein oder eine Partei zu unterstützen. Sie sind nicht klassische Lobbyverbände, sondern selbstlos tätig statt im Interesse ihrer Mitglieder. Diese Organisationen sind wichtig für die Demokratie und tragen zu besseren politischen Entscheidungen bei und zu einem gesellschaftlichen Zusammengehörigkeitsgefühl.


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