„Das Gemeinnützigkeitsrecht bedarf der Anpassung und Modernisierung, um eine angemessene Rechtssicherheit und die Gleichbehandlung verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure sicherzustellen“ – das wollten CDU, CSU und SPD nicht beschließen. Mit ihrer Mehrheit lehnten sie im Finanzausschuss des Bundestages einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ab, obwohl es dringenden Änderungsbedarf gibt. Die Fraktion der Linkspartei enthielt sich. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatte mit einem Antrag unter anderem erreichen wollen, dass weitere gemeinnützige Zwecke ins Gesetz aufgenommen werden und dass gemeinnützige Organisationen sich ohne Angst vor dem Finanzamt zu politischen Themen äußern können. Bei der Gelegenheit wurde auch die Aufnahme von Freifunk als gemeinnütziger Zweck abgelehnt, den der Bundesrat mit großer Mehrheit gefordert hatte.
Aktualisierung 30.6.2017: Bei der Schlussabstimmung im Bundestag am 29. Juni 2017 stimmten die Abgeordneten von CDU, CSU und SPD gegen den Antrag, die der Linkspartei enthielten sich. Im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stimmte die Linkspartei für den Antrag.
Im Dezember 2016 hatten Abgeordnete von der Unions-Fraktion die Grünen noch aufgefordert, einen solchen Antrag einzureichen, dann werde das Anliegen im Finanzausschuss diskutiert. „Ich bin in der Tat der Auffassung, wir sollten uns im Finanzausschuss mit dem Thema noch einmal beschäftigen. Wir sollten noch einmal schauen, wo hier nachzujustieren ist“, hatte Dr. Frank Steffel im Plenum des Bundestags gesagt. „Wenn Sie da Handlungsbedarf erkannt haben, dann ist es wohl die Aufgabe Ihrer Fraktion, einen Gesetzentwurf zu formulieren – nicht nur eine Anfrage zu stellen –, der im Bundestag im Finanzausschuss diskutiert wird . Da werden wir über die Punkte, die Sie vorschlagen, diskutieren und hier darüber abstimmen“, versprach Christian Freiherr von Stetten.
Ein halbes Jahr später ist es kein Gesetzentwurf geworden, den die Grünen in den Bundestag bringen, aber ein vierseitiger Antrag mit sechs Aufforderungen an die Bundesregierung. Das Gemeinnützigkeitsrecht bedarf der Anpassung und Modernisierung, um eine angemessene Rechtssicherheit und die Gleichbehandlung verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure sicherzustellen, sollte der Bundestag feststellen.
Dieses Ansinnen fertigte der CDU-Mann von Stetten als „Klientelpolitik“ ab und verkannte damit die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen in der politischen Willensbildung – dabei setzt auch seine Fraktion auf die Beratung durch gemeinnützige Vereine. Überraschender als das Nein von CDU und CSU ist das Nein der SPD-Fraktion und die Enthaltung der Linksfraktion, denn deren Parteien fordern wie die Grünen in ihren Wahlprogrammen Anpassungen am Gemeinnützigkeitsrecht. Sie lehnten nun ab, dass die Bundesregierung den Katalog gemeinnütziger Zwecke überarbeitet und die Meinungsäußerungsfreiheit von gemeinnützigen Organisationen sicher stellt. Die Grünen hatten im Antrag auch ein öffentliches Gemeinnützigkeitsregister gefordert und wollten, dass geprüft wird, ob eine Bundesbehörde für Gemeinnützigkeit unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen eingerichtet werden kann.
Dieser Ablehnung des Ausschusses wird der Bundestag aller Voraussicht nach am morgigen Donnerstagabend (29.6.) in seiner vorletzten Sitzung vor den Bundestagswahlen im September folgen und in Tagesordnungspunkt 36 die Beschlussempfehlung des Ausschusses zusammen mit vielen weiteren Anträgen ohne Aussprache beschließen. (Aktualisieurng 30.6.: So ist es passiert – Ablehnung mit Stimmen von CDU, CSU und SPD gegen Stimmen der Grünen bei Enthaltung der Abgeordneten der Linkspartei.)
Der Antrag der Grünen ist zum Teil konkret und klar. Sehr richtig ist etwa die zweite Aufforderung im Antrag:
den Zweckkatalog nach § 52 Abs. 2 AO grundsätzlich entsprechend der sich im Zeitablauf gewandelten Gegebenheiten zu überarbeiten, zumindest aber um die Zwecke der Förderung der Gleichberechtigung von Lebenspartnerschaften und Trans- wie Intersexueller, Frieden, Menschenrechte, Demokratie sowie auch der Einrichtung und Unterhaltung des Freifunks zu ergänzen
An anderen Stellen ist der Antrag weniger klar. So wird zwar gefordert, „zur Verminderung der bestehenden Rechtsunsicherheiten sicherzustellen, dass politische Äußerungen von Vertretern gemeinnütziger Organisationen im Rahmen des verfolgten gemeinnützigen Zweckes grundsätzlich erlaubt sind“. Jedoch geht der Antrag nicht auf die Mittelverwendung ein, die Finanzämter rügen. Einige Experten gehen noch weiter und fordern eine Bagatellgrenze bei der Mittelverwendung für politische Betätigungen auch über die Satzungszwecke hinaus, um die Meinungsäußerungsfreiheit von Vereinen und Stiftungen zu sichern und um fatale Auseinandersetzungen um kleine Beträge zu vermeiden.
Entscheidungen über die Gemeinnützigkeit einer Bundesbehörde zu übertragen, müsste tatsächlich sehr umfassend diskutiert werden. Fraglos sinnvoll wäre jedoch das von den Grünen geforderte Gemeinnützigkeitsregister, so dass jede und jeder sofort prüfen könnte, ob eine Organisation gemeinnützig ist oder nicht.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die nötige Reform der Gemeinnützigkeit aufs nächste Jahr vertagt – der neu gewählte Bundestag muss sich dann dieser nötigen Diskussion konstruktiv und mit der nötigen Zeit stellen. Der Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ hat dazu in dieser Legislaturperiode bereits Grundlagen gelegt. Auch der Engagement-Bericht der Bundesregierung, den der Bundestag am Freitag zum Abschluss der Legislaturperiode diskutiert, erkennt die Rolle gemeinnütziger Organisationen für die politische Debatte ausdrücklich an.
- Beschlussempfehlung des Finanzausschusses: http://dip.bundestag.de/btd/18/129/1812973.pdf
- Bericht des Bundestags-Pressedienstes: http://www.bundestag.de/presse/hib/2017_06/-/513630
- Antrag der Bundestagsfraktion der Grünen: http://dip.bundestag.de/btd/18/125/1812559.pdf