Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.
- Hausdurchsuchungen wegen Spendenkampagne verunsichern zivilgesellschaftliche Organisationen
- Tendenzen von shrinking spaces?
- Informationen zu Vereinsverboten
Die heutigen Hausdurchsuchungen (24.5.2023) bei Mitgliedern des „Aufstands der Letzten Generation“ haben zahlreiche zivilgesellschaftlichen Organisationen und darin engagierte Menschen verunsichert. Verunsichert hat insbesondere die Mitteilung, dass die exekutiven Maßnahmen ausdrücklich einer Spendenkampagne galten und dass dabei die Website „beschlagnahmt“ wurde und auch Konten und anderes Vermögen („Vermögensarrest zur Sicherung von Vermögenswerten“ – siehe Pressemitteilung des LKA Bayern). Zudem versuchte die Polizei, auf der beschlagnahmten Website eine Spendenwarnung zu platzieren.
Die Hausdurchsuchungen und vor allem „Kontobeschlagnahmebeschlüsse“ riechen eigentlich nach einem Vereinsverbot – das ist ein scharfes Schwert in der wehrhaften Demokratie. Aber: Bayern darf den „Aufstand der Letzten Generation“ nicht verbieten. Denn bei bundesweit tätigen Vereinigungen ist die Bundesinnenministerin zuständig. Also, so scheint es, konstruiert der Freistaat ein Ermittlungsverfahren wegen „Kriminelle Vereinigung“.
Das scharfe Schwert eines Vereinsverbots ist das Gegengewicht zur grundgesetzlichen Vereinigungsfreiheit (Artikel 9): Wer Freiheitsrechte nutzt, um Freiheit abzuschaffen, die Menschenwürde zu verletzen o.ä., muss darin beschränkt werden. So ein Verbot muss gerichtsfest begründet werden. Um Beweise zu sammeln, dienen zunächst eher verdeckte Ermittlungen – die dann offene Ermittlungen wie Durchsuchungen begründen könnten.
Die nötige gerichtsfeste Begründung unterscheidet das Vereinsverbot vom Entzug der Gemeinnützigkeit, insbesondere aufgrund einer Behauptung des Verfassungsschutzes, ein Verein sei extremistisch. Dann muss der Verein beweisen, dass er demokratisch ist. Das geht am Ende fast nur durch einen Schwur, wie bei der Vereinigung der Verfolgen des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA).
Es geht um den Rechtsrahmen für zivilgesellschaftliche Freiräume. In unserer Arbeit zum Gemeinnützigkeitsrecht geht es oft um diese Grenzen und um die Spannung zwischen einem zu einschnürenden Rahmen und dem, was schwer fällt auszuhalten. Jeder Rahmen hat Grenzen. Was sind die? Wodurch werden die gezogen – Strafrecht, Sonderrecht wie NGO-Gesetze, Gemeinnützigkeitsrecht? Welchen politischen Impulsen folgen Grenzen und Durchsetzung? Was unterscheidet dabei in den Mitteln autoritäre Staaten und freiheitliche Demokratien – und wie kann ein Land bei allen Herausforderungen freiheitlich und rechtsstaatlich bleiben?
Die staatlichen Maßnahmen gegen den gewaltfreien zivilen Ungehorsam des „Aufstand der Letzten Generation“ erinnern an Maßnahmen in autoritären Staaten mit restriktiven NGO-Gesetzen oder mit absichtlich beschränkenden Regeln zu Finanzierungen aus dem Ausland. Solche Aktivitäten werden weltweit als ein Trend des schrumpfenden Spielraums zivilgesellschaftlicher Freiheiten beschrieben (shrinking spaces) – siehe dazu auch den von Brot für die Welt herausgegebenen „Atlas der Zivilgesellschaft“.
In unserer Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ haben sich an die 200 Vereine und Stiftungen zusammen geschlossen, die mit ihrer Arbeit auch auf die politische Willensbildung einwirken – die damit politischen Wandel bewirken wollen, die auch Demonstrationen als Mittel einsetzen und die oft zu großen Teilen spendenfinanziert sind. Viele dieser Organisationen fühlen sich bereits vom engen Recht der Gemeinnützigkeit bedroht oder hatten dazu Auseinandersetzungen. Zu unseren Mitgliedern gehören unter anderem Attac, Bewegungsstiftung, Campact, Deutsche Umwelthilfe (DUH), Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Greenpeace und das Komitee für Grundrechte, aber nicht die „Letzte Generation“.