Die von Arbeitgeber*innen-Verbänden finanzierte Agentur INSM hat mit Anzeigen Stimmung gegen die Partei Bündnis 90/Die Grünen gemacht. Sie versucht also, mit letztlich steuerbegünstigten Mitteln auf die politische Willensbildung einzuwirken. Wer darf das mit welchen Mitteln? Um diese Frage dreht sich auch die Debatte um politische Mittel im Recht der Gemeinnützigkeit.
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Die Antwort auf die Frage ist zunächst einfach: In einer freiheitlichen Demokratie darf jede und jeder auf die politische Willensbildung einwirken, grundgesetzlich geschützt unter anderem mit den Freiheitsrechten der Meinungsäußerung und der Versammlung. Doch die Einwirkung ist nur für die effektiv, die ausreichende finanzielle Mittel dafür haben. Wer genug Geld übrig hat, kann etwa mit Zeitungs- oder Online-Anzeigen, mit einer Kundgebungstournee oder wie auch immer gegen eine Partei schimpfen, für eine Partei werben oder unabhängig von Parteien Stimmung für eine Position machen, ob „Mehr Klimaschutz“ oder „Weniger Steuern“. Es gibt hierbei keine Grenze der Meinungsäußerungsfreiheit.
Was beschränkt oder im Ansatz geregelt ist: Ob die Ausgaben bei den Finanziers Steuern sparen, als Betriebsausgaben o.ä. Und ob die Öffentlichkeit erfährt, wer hinter der Finanzierung einer Kampagne steckt.
Eine Transparenzpflicht gibt es nur für Spenden an Parteien: Ab 10.000 Euro Spende wird irgendwann der Name genannt. So eine Transparenzpflicht gibt es nicht in der Gemeinnützigkeit und schon gar nicht für nicht-gemeinnützige Vereine. Ab 2022 gibt es mit dem Lobbyregister eine Transparenzpflicht für alle, ob Verein oder Privatperson, die direkt auf Entscheidungsträger*innen in Bundestag oder Bundesregierung einwirken. Wer reine Öffentlichkeits-Kampagnen fährt, wäre davon nicht erfasst.
Im Recht der Gemeinnützigkeit wird die Beteiligung an der politischen Willensbildung beschränkt aus der Sorge, sonst könnten Spender*innen Begrenzungen aus dem Parteispenden-Recht umgehen. Ein gemeinnütziger Verein hätte eine Kampagne wie die der Initiative Soziale Marktwirtschaft (INSM) wohl nicht fahren können. Nicht nur wegen meist fehlender finanzieller Möglichkeit. Sondern auch, weil gemeinnützige Vereine nur ihre gesetzlichen Zwecke fördern dürfen: Punkt für Punkt müsste ein Verein prüfen (und würde das Finanzamt prüfen), ob jede Forderung von einem Zweck gedeckt ist, der auch Teil der Satzung des Vereins ist. „Gegen Partei X sein“ oder „Steuergerechtigkeit“ sind für sich keine gemeinnützigen Zwecke.
Und selbst, wenn die konkreten Forderungen von eigenen gemeinnützigen Zwecken gedeckt sind, könnte das Finanzamt finden, dass der Verein mit so einer Kampagne Grenzen des Gemeinnützigkeitsrechts verletzt: Nach dem geltenden Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO), der für die Finanzämter Anweisung ist, muss solche „unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung“ weit in den Hintergrund treten (Ziffer 16 zu §52). Der Bundesfinanzhof hat diese Grenze im BUND-Urteil geweitet: Politische Mittel zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke dürfen andere Tätigkeiten nicht weit überwiegen. Nach dieser herrschenden Auffassung dürfte ein gemeinnütziger Verein also sicher nicht ausschließlich solche Kampagnen fahren.
Es zeigt sich, dass der Versuch untauglich ist, mit dem Steuerrecht die Einflussnahme auf die politische Willensbildung zu regeln oder auszubalancieren. Das Bundesverfassungsgericht hatte bezüglich Parteien vor Jahren festgestellt: Unterschiedliche wirtschaftliche Möglichkeiten können das Demokratie-Prinzip gefährden, nach dem alle Menschen die gleichen Möglichkeiten mit ihrer Wahlstimme haben. Der Staat müsse diese verschiedenen Möglichkeiten nicht ausgleichen, aber er dürfe das Ungleichgewicht durch Steuervorteile nicht noch vergrößern.
Wer genug Geld hat, dem sind Steuervorteile oft egal. Das zeigt sich an hohen Spenden oder Unternehmensspenden an Parteien, die nicht steuerbegünstigt sind. Das zeigt sich an Vereinen, die für die AfD Wahlkampf machen, die aber natürlich nicht gemeinnützig sind, da die Förderung von Parteien gemeinnützigen Organisationen untersagt ist.
Die INSM-Kampagne aber ist steuerbegünstigt. Die INSM wird nach eigenen Angaben von Arbeitgeber*innen-Verbänden finanziert, die wiederum als Berufsverbände steuerbegünstigt sind. Die Steuerbegünstigung wird hier anders als in der Gemeinnützigkeit damit begründet, dass die Verbände im Interesse ihrer Mitglieder handeln. In der Gemeinnützigkeit dagegen wird selbstlose Förderung der Allgemeinheit vorausgesetzt. Die einzelnen Unternehmen können ihre Mitgliedsbeiträge von der Steuer absetzen, so lange der Verband sie nicht direkt an Parteien weiter reicht. Das ist hier nicht passiert. Die INSM fördert mit der Kampagne nicht eine einzelne Partei.
Eine Kampagne andersherum, etwa gegen zu viel Freiheit für Wirtschaftsunternehmen, wäre nur schwierig steuerbegünstigt darzustellen. Denn „Wirtschaft“ oder „soziale Gerechtigkeit“ fehlen im gesetzlichen Zweckkatalog.