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Landesfinanzminister wollen neue Zwecke: Klimaschutz und Dorfverschönerung

Die 16 Landesfinanzminister haben sich am 26. September 2019 darauf geeinigt, dass Klimaschutz ein neuer gemeinnütziger Zweck werden soll. Sie fordern das Bundesfinanzministerium auf, dies und weitere Vorschläge in einen Gesetzesentwurf zu übernehmen, der noch bis Jahresende vom Bundestag beschlossen werden soll. Weitere neue gemeinnützige Zwecke sollen auch „Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung diskriminiert werden“ und die Förderung der Ortsverschönerung sein.

Die Konferenz der Landesfinanzminister*innen (FMK) beschäftigt sich seit Monaten intensiv mit dem Recht der Gemeinnützigkeit und stellt Schritt für Schritt Einigung zu einzelnen Fragen her. Bei ihrem Treffen am 26. September 2019 haben sich die Ministerinnen und Minister auf mindestens fünf neue gemeinnützige Zwecke geeinigt. Das ist ein Durchbruch für die Forderungen der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“.

Denn wenn die Finanzminister*innen aller Länder und über Parteigrenzen hinweg jetzt anerkennen, dass die Zweckliste unvollständig ist, ist das ein großer Schritt nach vorne. Und auch ein Dammbruch: Wenn sogar Dorfverschönerung gemeinnützig wird, lässt sich kaum das Engagement für soziale Gerechtigkeit ablehnen. Wenn Klimaschutz als „zeitgemäß“ und „richtiger Schritt zur richtigen Zeit“ bezeichnet wird, kann kaum das Engagement für die Grundrechte als nicht gemeinnützig abgelehnt werden. Auch ein Zweck wie Frieden hat eventuell nur deklaratorische Funktion, ist aber ebenso wichtig. Die Länder erkennen damit an, dass wichtige Zwecke im Gesetz fehlen.

Förderung der Hilfe statt Einsatz für Gleichberechtigung?

An der Formulierung „Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung diskriminiert werden“ müssen Länder oder später der Bundestag noch feilen. Denn es geht nicht nur um Hilfe und Unterstützung, sondern etwa auch darum, selbstbewusst für Anerkennung und Rechte einzutreten. Dieses anwaltschaftliche Handeln muss ebenso gemeinnützig sein wie Aufklärungsarbeit.

Es hat einen großen Wert, dass die Finanzminister*innen der Länder seit einem halben Jahr intensiv am Recht der Gemeinnützigkeit arbeiten. Jetzt wird es Zeit, dass sie und auch das Bundesfinanzministerium in einen Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisationen eintreten. Neben den bisher von den Ländern vereinbarten Änderungen braucht es außerdem eine Klarstellung, dass das selbstlose Engagement für gemeinnützige Zwecke überwiegend durch Beteiligung an der politischen Willensbildung erfolgen kann und dass eine gelegentliche Betätigung für andere gemeinnützige Zwecke ebenso möglich ist wie die Weitergabe von Mitteln für andere Zwecke.

Zwar gibt es keine offizielle gemeinsame Erklärung, aber Mitteilungen verschiedener Landesfinanzministerien, die in vielen Teilen identisch sind. Demnach haben sich die Länder einstimmig auf Forderungen an das Bundesfinanzministerium geeinigt und fordern, die Rahmenbedingungen für gemeinnütziges Engagement schon ab dem 1. Januar 2020 zu verbessern. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder bitten die Bundesregierung, die Verbesserungen im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht schnellstmöglich in einem Steuergesetzgebungsverfahren umzusetzen, damit der Bundestag sie rechtzeitig beschließen kann.

Liste neuer gemeinnütziger Zwecke

Als neue gemeinnützige Zwecke werden genannt:

  • Förderung des Klimaschutzes
  • Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung diskriminiert werden (wortgleich Thüringen und Hamburg)
  • Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen
  • Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten
  • Förderung der Ortsverschönerung (auf Vorschlag Rheinland-Pfalz); meint u.a. Maßnahmen zur Ortsverschönerung, Ausbau von Wanderwegen, Errichtung von Aussichtsplattformen

Bereits im Mai hatten sich die Minister*innen auf Freifunk als neuen gemeinnützigen Zweck geeinigt. Der Bundesrat hat dies am 20. September 2019 beschlossen.

Der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel sagt zu den neuen Zwecken: „Dass Klimaschutz jetzt erstmals ein eigener gemeinnütziger Förderzweck in der Abgabenordnung wird, ist ein richtiger Schritt zur richtigen Zeit.“

Der Thüringer Finanzstaatssekretär Dr. Hartmut Schubert erklärt: „Ich halte es für wenig zeitgemäß, wenn derzeit alle von der Bedeutung des Klimaschutzes reden, aber die Förderung des Klimaschutzes noch nicht als gemeinnützig anerkannt wird.“

Dressel erklärt zudem, „in den Bereichen Integration oder Menschenrechte kann ich mir beispielsweise auch eine Erweiterung der Katalogzwecke gut vorstellen“.

Bereits im April 2019 forderten die Länder Bremen, Berlin, Brandenburg und NRW, dass Integration und Inklusion ein eigener gemeinnütziger Zweck werden soll. Der Vorstoß kam nicht von den Finanz-, sondern von den Sozialminister*innen, federführend Bremen (Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann, Grüne).

Weitere Maßnahmen

Außerdem haben sich die Länder jetzt auf mindestens diese weiteren Gesetzesänderungen geeinigt:

  • Abschaffung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung bei jährlichen Einnahmen bis zu 45.000 Euro
    (Das Bundesfinanzministerium hatte in seinem Gesetzesentwurf offenbar vorgesehen, die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung komplett abzuschaffen.
  • Ergänzung des § 60a AO um eine Ablehnungs-/Aufhebungsmöglichkeit bei bereits bekannten Verstößen gegen die tatsächliche Geschäftsführung
  • Erweiterung der Zweckbetriebseigenschaft des § 68 Nummer 4 AO um die „Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen“

Bereits zuvor hatten sich die Finanzminister*innen auf Änderungen verständigt, die mittlerweile der Bundesrat bei der Bundesregierung angeregt hat:

  • Erleichterung der Mittelweitergabe unter Gemeinnützigen
  • Erleichterung von Kooperationen unter Gemeinnützigen
  • Erhöhung der Übungsleiterpauschale von 2.400 auf 3.000 Euro im Jahr
  • Anhebung der Ehrenamtspauschale um weitere 120 Euro auf 840 Euro
  • Vereinfachtes Spendenbescheinigungsverfahren: Spendenbescheinigungen fürs Finanzamt erst ab 300 (statt bisher 200 Euro) nötig
  • Anhebung der Freigrenze bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe gemeinnütziger Vereine von 35.000 Euro auf 45.000 Euro

Quellen: Mitteilungen aus den Ländern