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Lobbyregister wird genauer, Ungleichbehandlung bleibt

In den nächsten Wochen wird der Bundestag Veränderungen zum Lobbyregister beschließen. Am 19. September findet dazu eine öffentliche Anhörung statt. Die Änderungen sollen zu Jahresbeginn 2024 gelten. Die von den Koalitionsfraktionen geplanten Änderungen machen einiges klarer und präziser. Relevante Spenden und Mitgliedsbeiträge müssen samt ihrer Herkunft offengelegt werden. Noch wichtiger ist, dass nun dargestellt werden muss, was die Hauptstränge der Finanzierung sind, etwa Spenden, Beiträge, öffentliche Zuschüsse oder wirtschaftliche Betätigung. Es bleibt eine Benachteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die selbstlos als (Themen-)Anwält:innen auftreten, gegenüber gegenüber Agenturen oder Berufsverbänden, die nicht ihre gesamte Finanzie­rungsstruktur offenlegen müssen.

Dass nun je nach Gesamtsumme mehr Spenden und Mitgliedsbeiträge samt der zah­lenden Personen offengelegt werden müssen, mag viele zivilgesellschaftliche Organi­sationen verstimmen. Zudem ist jede Anonymisierungsmöglichkeit (ab 2024) gestri­chen. Einige Verbände (insbesondere Arbeitgeber:innenverbände und Gewerkschaf­ten) werden weiterhin nicht erfasst. Zugleich ist das der Preis dafür, dass eine massive Ungleichbehandlung zivilgesell­schaftlicher Organisationen und anderer Akteur:innen abgebaut wurde. Es wurden zwar diese Organisationen kaum entlastet, aber die anderen mehr belastet – wogegen sie sich massiv wehrten und nicht durchsetzen konnten.

Wir halten Transparenz im System der politischen und staatlichen Willensbildung für ein rechtsstaatliches Merkmal. Wir teilen das Ziel, öffentliche Transparenz darüber zu schaffen, ob einzelne Geldgeber:innen hinter politi­schen Kampagnen stecken. Das Lobbyregister beim Bundestag folgt seit Jahren er­hobenen For­derungen zivilgesell­schaftlicher Organisationen.
Wir verstehen und unterstützen den Ansatz des Lobbyregisters, dass offengelegt wird, wer hinter einer Interessenvertretung steckt und dass Schlupflöcher geschlossen wer­den. Doch das Gesetz ist sehr vom Blick auf Agenturen geleitet, die mit Aufträgen und Auftraggebern arbeiten. Echte zivilgesellschaftliche Organisationen haben keine Auf­traggeber. Spenden sind keine Aufträge.

Unabhängig von diesem Gesetz sind zivilgesellschaftliche Organisationen gut beraten, freiwillig ihre Mittelherkunft und damit ihre Unabhängigkeit offenzulegen, etwa nach dem Standard der „Initiative transparente Zivilgesellschaft“ – auch, wenn sie im Lobby­register nicht registrierungspflichtig werden.

(Unsere Allianz ist sowohl im Lobbyregister registriert als auch legen wir selbst wichtige Kennzahlen offen.)

Transparenz-Regeln im Lobbyregister jenseits des Gemeinnützigkeitsrechts haben die Vorteile, nicht allen gemeinnützigen Organisationen Regeln aufzuerlegen sowie dass sich kein großer Verein durch den Verzicht auf die Gemeinnützigkeit vor Transpa­renz-Regeln drücken kann.

Verschiedene Gruppen nicht gut unterschieden – Spenden sind keine Aufträge

Auch in der künftigen Form wird im Lobbyregister die Logik zi­vilgesellschaftlicher Organisationen zu we­nig bedacht. Das Lobbyregister betrifft vor allem vier Hauptgruppen mit verschiedenen Logiken:

  • Unternehmen mit eigener Lobbyarbeit: Im eigenen Interesse. Finanzierung durch eigene wirtschaftliche Betätigung.
  • Agenturen: Im konkreten Auftrag, der konkret bezahlt werden.
  • Berufs- und Wirtschaftsverbände: Im Interesse ihrer Mitglieder, finanziert durch deren Beiträge.
  • Zivilgesellschaftliche Organisationen: Selbstlos, im Kern nicht private Interessen der Mitglieder – nicht zu deren Gunsten. Finanzierung insbesondere durch Bei­träge, Spenden, öffentliche und private Fördermittel, zum Teil durch eigene wirtschaftliche Aktivitäten.

Die Logik des Registers betrifft vor allem Agenturen. Diese Logik wird zum Teil auf zivilgesellschaftliche Organisationen übertragen – doch Spenden sind keine Aufträge.

Die Unterschiede zwischen den Hauptgruppen von Interessenvertretung liegen auch in den verfügbaren Ressourcen und Zugängen. Ge­nau dieser Unterschied hat sich offenbar beim Entwurf zur Überarbeitung des Lobbyre­gisters ausgewirkt. Wir haben festgestellt, dass es massive Versuche gab und gibt, auf die Offenlegung von mehr Spenden zu drängen, aber die Offenlegung von Mitglieds­beiträgen einzuschränken. Hier haben offenbar die klassischen Lobbyverbände, meist Berufsverbände, stark gewirkt, die keine Spenden erhalten, aber Mitgliedsbeiträge.

Die Berichterstatter:in­nen der Fraktionen haben teils die Erzählung kommerzieller Lob­byist:innen übernom­men, dass nicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Interessen un­terschieden werden dürfe und daher im Lobbyregister zivilgesellschaftliche Organisa­tio­nen (NGO) den Agenturen oder Berufsverbänden gleich gestellt werden müssten. Tatsächlich reden eher kommerzielle Lobbyist:innen von „guten“ und „schlechten“ In­teressen als die Mitarbeiter:innen gemeinnütziger Organisationen. Gegenläufige Inter­essen gibt es etwa nicht nur zwischen Umweltschutz und Industrie, sondern auch in­nerhalb des Umweltschutzes. Die Vorschläge Windrädern können absolut gegenläufig sein.

Details dazu in unserer Stellungnahme an den Bundestag.

Konkrete Regelungen nach Themen, inklusive Bewertung

Schwelle (§ 1 und § 2, Abs. 1)

Als Lobbyarbeit im Sinne des Lobbyregistergesetzes gelten künftig auch Kontakte zu Mitarbeiter:innen von Abgeordneten und Bundestagsgremien sowie in Ministerien zu Referatsleiter:innen (bisher Grenze ab Unterabteilungsleiter:innen); nicht drin: Refe­rent:innen, Sachbearbeiter:innen in Ministerien. Im Koalitionsvertrag waren auch Refe­rent:innen genannt.

Wie gehabt tritt die Registrierungspflicht ein, wenn solche Kontakte regelmäßig gehal­ten werden/auf Dauer angelegt sind, mindestens aber ab Kontaktaufnahme zu 50 ver­schiedenen entsprechenden Personen innerhalb von drei Monaten.

Aus der Begründung: „Auch die Kontaktaufnahme ohne konkrete Angabe eines Adres­saten, z.B. das Übersenden einer Stellungnahme an ein Funktionspostfach ohne na­mentliche Anrede der Referatsleiterin oder des Referatsleiters, ist hiervon erfasst.“

Ausnahmen (§ 2 Abs. 2)

Die Ausnahmen von der Registrierungspflicht wurden erweitert, u.a. auf Vertreter:in­nen öffentlich-rechtlicher Einrichtungen (also etwa auch der DSEE) und die Jugendor­ganisationen von Parteien. Keine bestehende Ausnahme wurde gestrichen.

Konkrete Angaben zu Person/Organisation (§ 3 Abs. 1, Ziffer 2)

Die registrieren Personen müssen eher mehr Angaben machen als zuvor, etwa „Mit­gliedschaften, die im Zusammenhang mit der Interessenvertretung stehen“ sowie die Aufschlüsselung eigener Mitglieder nach „natürlichen Personen, juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Organisationen“. Daten werden nicht immer so vorliegen.

Zusätzlich müssen vorherige Mandate (Bundestag, Bundesregierung) oder Beschäfti­gungen bei Abgeordneten offengelegt werden.

Es müssen eher mehr Personen angeben werden: Personen, „die mit der Interessen­vertretung nicht nur bei Gelegenheit betraut sind und die Interessenvertretung unmit­telbar ausüben“.
Das können Angestellte, aber auch (unbezahlte) Gremienmitglieder oder herausgeho­bene Mitglieder sein. Vorstandsmitglieder müssen hier genannt werden – bisher wer­den die nur als Vorstand aufgeführt, nicht als Interessenvertreter:innen.

Angabe der Beschäftigten in der Interessenvertretung nicht mehr in Stufen, sondern in Vollzeitäquivalenten.

Zweck und Tätigkeit – Interessen und Vorhabenbereiche (§ 3, Abs. 1, Ziffer 4 und 5)

Künftig müssen die Gesetze, zu denen gearbeitet wird, konkret benannt werden. Tech­nisch ist das bereits möglich.

Veröffentlicht werden müssen über das Register „Stellungnahmen und Gutachten von grundsätzlicher Bedeutung“ zu diesen Vorhaben gegenüber den definierten Ansprech­personen, also ab Referatsleiter:in aufwärts.

Aus der Begründung:

„Im Regelfall wird sich ein weiterer Schriftverkehr im Rahmen der in diesem grundlegenden Dokument aufgezeigten Position bewegen. Für die Zwecke des Lobbyregisters sind nur diese grundsätzlichen Gutachten und Stellungnahmen von Bedeutung, da sie die allgemeine Stoßrichtung der Einflussnahme ausrei­chend erhellen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist ein Gutachten oder eine Stel­lungnahme, wenn darin eine grundlegende Positionierung zu einem Gesetzge­bungs- oder Verordnungsvorhaben in Gänze abgebildet wird und nicht nur Ein­zelpositionen übermittelt werden. Entscheidend ist dabei, ob dem Inhalt des Gutachtens oder der Stellungnahme aus Sicht der jeweiligen Interessenvertrete­rin oder des jeweiligen Interessenvertreters grundsätzliche Bedeutung zukommt und nicht, ob die Stellungnahme oder das Gutachten grundsätzlichen Einfluss auf den Verlauf der Beratungen im Gesetzgebungsprozess hatte.“

Finanzierung (§ 3, Absatz 1, Ziffer 8)

Gliederung der eigenen Finanzierung nach (in Reihenfolge der Größenordnung)

  • wirtschaftliche Tätigkeit,
  • öffentliche Zuwendungen,
  •  Schenkungen und sonstige lebzeitige Zuwendungen,
  • Mitgliedsbeiträge und
  • Sonstiges

Angabe nur der Kategorien, nicht der Summen. Auch keine Angabe von Anteilen.

Begründung: Angabe der jeweiligen Kategorien in absteigender Reihenfolge ihres An­teils an den Gesamteinnahmen, die eine generelle Gewichtung aufzeigt, nicht den ge­nauen prozentualen Anteil.

Einzelangaben von öffentlichen Zuwendungen immer ab 10.000 Euro.

Einzelangaben zu Mitgliedsbeiträgen, wenn dies über 10.000 Euro liegen und wenn sie mehr als zehn Prozent der Gesamteinnahmen dieser Gruppe (nicht aller Einnahmen) ausmachen.

Eine Verweigerung von Detailangaben (siehe unten) ist nicht mehr vorgesehen.

Angabe von Zuwendungen der öffentlichen Hand (§ 3, Abs. 1, Ziffer 8c)

Grundprinzip bei der Angabe von Zuwendungen (hier: öffentliche Hand):

  • in Stufen von jeweils 10 000 Euro,
  • sofern der Gesamtwert von 10 000 Euro bezogen auf eine Zuwendungsgeberin oder einen Zuwendungsgeber in einem Geschäftsjahr überschritten wird
  • mit Angabe der Zuwendungsgeberin
  • und der „Beschreibung der Leistung“.

Angabe von Spenden (§ 3, Abs. 1, Ziffer 8d)

Angaben zu „Schenkungen und sonstigen lebzeitigen Zuwendungen von Dritten“ (also auch Spenden):

  • Gesamtsumme im jeweiligen Geschäftsjahr
  • in Stufen von jeweils 10 000 Euro jeden Betrag unter Angabe von Name, Firma oder Bezeichnung der Geberin oder des Gebers,
    • der den Gesamtwert von 10 000 Euro bezogen auf eine Geberin oder einen Geber in einem Geschäftsjahr
    • und zugleich 10 Prozent bezogen auf die jährliche Gesamtsumme nach Dop­pelbuchstabe aa übersteigt.
      (Also Anteil an Spenden, nicht an Gesamtfinanzierung)
  • Anders als zunächst vorgesehen ein Und, kein Oder:
    • Wenn ich 90.000 Euro Spenden erhalte, ist die 9.500-Euro-Spende nicht rele­vant (weil unter 10.001 Euro)
    • Wenn ich 900.000 Euro Spenden erhalte, ist die 10.000-Euro-Spende eben­falls nicht relevant (weil unter 10 Prozent)
    • Andersherum: Relevant sind Spenden, die mehr als 10 Prozent der Spenden­einnahmen ausmachen, sofern sie höher als 10.000 Euro sind.

Für Spenden bis Ende 2023 können die Angaben anonymisiert werden.

Aus der Begründung: Spenden von „mehr als 10 % der Gesamtschenkungssumme in einem Geschäftsjahr ausmachen und damit Anlass für die Annahme geben könnten, dass die Schenkungen einen lenkenden Einfluss auf die jeweilige Organisation haben könnten“.
Gemeint sind nicht nur Spenden. Aus der Begründung: „auch Zuwendungen, die von einer Gegenleistung abhängen oder für die ein werblicher oder sonst öffentlichkeits­wirksamer Vorteil erreicht wird (Sponsoringleistungen)“

Angabe von Mitgliedsbeiträgen (§ 3, Abs. 1, Ziffer 8e)

Gleiches Prinzip wie bei Spenden: Angaben zu Mitgliedsbeiträgen, und zwar

  • deren Gesamtsumme im jeweiligen Geschäftsjahr
    • in Stufen von jeweils 10 000 Euro jeden Mitgliedsbeitrag unter Angabe von Name, Firma oder Bezeichnung der Beitragszahlerin oder des Beitragszahlers
    • der den Gesamtwert von 10 000 Euro bezogen auf eine Beitragszahlerin oder einen Beitragszahler in einem Geschäftsjahr
    • und zugleich 10 Prozent bezogen auf die jährliche Gesamtsumme Beiträge übersteigt

Ausgaben für Interessenvertretung (§ 3, Abs. 1, Ziffer 8b)

Die Ausgaben zur Interessenvertretung werden weiterhin in 10.000-er Stufen verlangt.

Koalitionsvertrag zu Transparenz und Lobbyregister

„Wir werden das Lobbyregistergesetz nachschärfen, Kontakte zu Ministerien ab Refe­rentenebene einbeziehen und den Kreis der eintragungspflichtigen Interessenvertre­tungen grundrechtsschonend und differenziert erweitern. Für Gesetzentwürfe der Bun­desregierung und aus dem Bundestag werden wir Einflüsse Dritter im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben und bei der Erstellung von Gesetzentwürfen um­fassend offenlegen (sog. Fußabdruck).“ (Seite 10, im Kapitel „Moderner Staat, digitaler Aufbruch und Innovationen“)

„Wir verbinden dies mit Transparenzpflichten für größere Organisationen.“ (Seite 117, zu Gemeinnützigkeit)

„Wir schaffen handhabbare, standardisierte Transparenzpflichten und Regeln zur Of­fenlegung der Spendenstruktur und Finanzierung.“ (Seite 165, zu Gemeinnützigkeit, insbesondere politischen Tätigkeiten)

„Parteiensponsoring werden wir ab einer Bagatellgrenze veröffentlichungspflichtig ma­chen. Die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung von Zuwendungen an Parteien wird auf 35.000 Euro herabgesetzt. Spenden und Mitgliedsbeiträge, die in der Summe 7.500 Euro pro Jahr überschreiten, werden im Rechenschaftsbericht veröffentlichungs­pflichtig. Wir schützen die Integrität des politischen Wettbewerbs vor einer Beeinträch­tigung durch verdeckte Wahlkampffinanzierung mittels so genannter Parallelaktionen. Die Bundestagsverwaltung wird für ihre Aufsichts- und Kontrollfunktion in den Berei­chen Transparenz und Parteienfinanzierung personell und finanziell besser ausgestat­tet.“ (Seite 8)