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Stellungnahme zum Demokratiefördergesetz

Mit untenstehender Stellungnahme (hier als PDF) hat sich die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zum Diskussionspapier zum geplanten Demokratiefördergesetz der Bundesministerinnen Nancy Faeser (Bundesministerium des Inneren – BMI) und Anne Spiegel (Bundesministerium für Famile, Senioren, Frauen und Jugend – BMFSFJ) geäußert.

Stellungnahme zum Diskussionspapier von BMFSFJ und BMI zum Demokratiefördergesetz

Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ begrüßt das geplante Demokratiefördergesetz und die damit verbundene Verstetigung der finanziellen Förderung entsprechender Organisationen. Wir begrüßen auch die ausdrückliche Anerkennung der wichtigen Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen in der Gestaltung und Förderung der Demokratie im vorliegenden Diskussionspapier (Seite 1), insbesondere in den Bereichen der „Demokratieförderung und -stärkung, der politischen Bildung, der Gestaltung von Bildungschancen sowie bei der Auseinandersetzung mit und der Prävention von Extremismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit“ (Seite 1).

Wir weisen jedoch auch darauf hin, dass zu den „guten Rahmenbedingungen“, die zivilgesellschaftliches Engagement „fördern und ermöglichen“ (Seite 2), und der „notwendige[n] Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen“ (Seite 2) dringend auch die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts gehört.

Dies insbesondere dann, wenn wie im Diskussionspapier unter Punkt 4 (Seite 5) genannt, der Förderung juristischer Personen des privaten Rechts eine Steuerbegünstigung im Sinne der Abgabenordnung vorausgesetzt wird.

Das Problem:

Viele der Organisationen, die durch das Demokratiefördergesetz in ihrer Arbeit unterstützt und gefördert werden sollen, sehen sich in ihrer täglichen Arbeit mit der Sorge um ihren gemeinnützigen Status konfrontiert. Dies reicht von der Nicht-Anerkennung bis hin zu einer nachträglichen Aberkennung.

Die Gründe für diese Unsicherheit liegen in fehlenden gemeinnützigen Zwecken (z.B. für Menschen- und Grundrechte oder soziale Gerechtigkeit), der einschränkenden Bedingung der „geistigen Offenheit“ des Zweckes der politischen Bildung und der Beweislastumkehr in § 51 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung (AO). Zudem ist weiterhin nicht gesetzlich geklärt, in welchem Umfang politische Mittel zur Verfolgung der eigenen gemeinnützigen Zwecke zulässig sind und wie viel Betätigung über die eigenen gemeinnützigen Satzungszwecke hinaus (z.B. als Sportverein im Bereich der LGBTQI+-Rechte oder des Anti-Rassismus) zulässig sind. [Eine nicht abschließende Liste von Problemen im Rahmen des Gemeinnützigkeitsrechts gibt es hier]

Wie auch das hier vorliegende Diskussionspapier zeigt, dient der gemeinnützige Status oft als Gütesiegel für die Arbeit einer Organisation. Er öffnet Zugänge zu privaten und öffentlichen Fördermitteln und lokaler Infrastruktur. Das Gemeinnützigkeitsrecht ist damit das faktische Basisrecht vieler Organisationen.

Lösungsansätze:

Die Voraussetzung einer Steuerbegünstigung im Sinne der Abgabenordnung (Punkt 4, Seite 5 des Diskussionspapiers) ist aus Förder:innenperspektive durchaus sinnvoll, da hiermit die eigene Prüfung der Selbstlosigkeit, der Orientierung an den Werten des Grundgesetzes, die ordnungsgemäße Geschäftsführung und weiterer wichtiger Kriterien wegfallen und auf eine bereits stattgefundene Entscheidung der Finanzämter zurückgegriffen werden kann.

Aus Perspektive der Fördermittelempfänger:innen stellt diese Voraussetzung allerdings eine problematische Hürde dar, solange die Rechtsunsicherheiten im Gemeinnützigkeitsrecht nicht beseitigt wurden. Erst wenn sichergestellt ist, dass die Rechtsunsicherheiten im Gemeinnützigkeitsrecht nicht dazu führen, dass Organisationen von öffentlichen Förderprojekten ausgeschlossen werden, kann das Demokratiefördergesetz seine volle Wirksamkeit entfalten.

1. Rechtliche Rahmenbedingungen verbessern: Gemeinnützigkeitsrecht reformieren

Um das zivilgesellschaftliche Engagement für Demokratie und Menschenrechte nachhaltig zu fördern und zu stärken, braucht es dringend mindestens die folgenden Reformschritte:

  • Erweiterung der Liste der gemeinnützigen Zwecke: Wer sich für die Förderung der Menschen- und Grundrechte (inklusive Diskriminierungsschutz, Gleichstellung aller Geschlechter, Engagement gegen Rassismus), des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit und der informationellen Selbstbestimmung ein­setzt, sucht bislang vergeblich nach einem geeigneten gemeinnützigen Zweck.
  • Klarstellung, wie politische Bildung für Demokratie und Menschenrechte verstanden wird: Dies ist in Folge des attac-Urteils des Bundesfinanzhofes offenbar nötig. Dabei sollten moderne Konzepte von politischer Bildungsarbeit berücksichtigt werden und geklärt werden, was mit „geistiger Offenheit“ gemeint ist.
  • Streichung der Beweislastumkehr: Eine Organisation, die gegen Menschenrechte und Demokratie agitiert, in der zu Gewalt aufgerufen wird oder die mit ihren Tätigkeiten die Menschenwürde verletzt, kann nicht gemeinnützig sein. Wenn das passiert, muss die Exekutive dies beweisen. So ist es auch in Strafverfahren oder bei einem Vereinsverbot. Doch die Verfahrensregel in § 51 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) kehrt die Beweislast um: “Bei Körperschaften, die im Verfassungs­schutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszu­gehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.” Diese Beweislastumkehr muss gestrichen werden. Die materielle Regelung in Satz 1 kann erhalten bleiben.
  • Klarstellung, dass die Beteiligung an der politischen Willensbildung unschädlich für die Gemeinnützigkeit ist: Obwohl das Gesetz kein Verbot poli­tischer Mittel vorsieht, herrscht große Unklarheit, was erlaubt ist – sowohl bei Finanzämtern als auch bei Vereinen und Stiftungen. Daher ist eine gesetzliche Klarstellung nötig, dass zur Zweckverfolgung auch die überwiegende oder ausschließliche Einwirkung auf die politische Willensbildung, die öffentliche Meinung, politische Parteien und staatliche Entscheidungen gehören. Ein gesetzgeberischer Impuls hätte Auswirkungen auf Verwaltungspraxis, Anwendungserlass und Rechtsprechung. Wir schlagen dazu einen neuen Absatz in § 51 oder § 52 der AO vor.

Das geplante Demokratiefördergesetz wäre ein guter Anlass, um Änderungen am Gemeinnützigkeitsrecht anzustoßen und so das zivilgesellschaftliche Engagement für Demokratie zu fördern. Ist eine Änderung der Abgabenordnung im Rahmen des Demokratiefördergesetzes nicht möglich, sollte mindestens geprüft werden, ob die Voraussetzung der Gemeinnützigkeit für Förderungen im Rahmen des Demokratiefördergesetzes zwingend notwendig ist oder es mindestens eine Übergangsfrist geben kann, bis die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Reformen abgeschlossen und die Rechtsunsicherheiten im Gemeinnützigkeitsrecht behoben sind.

2. Fördermöglichkeiten auch für nicht-gemeinnützige Organisationen

Um auch Organisationen fördern zu können, die nicht gemeinnützig sind, wäre es denkbar für diese eine Verpflichtung zu den Transparenzanforderungen der Initiative Transparente Zivilgesellschaft als Voraussetzung (ITZ) anzusetzen. Die im Rahmen der Initiative veröffentlichten Angaben liefern ein umfassendes Bild über Arbeitsweise und Ziel der Organisationen, indem unter anderem Mittelherkunft und -verwendung, Organisationszweck und Satzung sowie gesellschaftliche Verbundenheit mit Dritten transparent offengelegt werden. Im Gegensatz zur Prüfung des gemeinnützigen Status, die nur alle drei Jahre durch die lokalen Finanzämter erfolgt, werden die Transparenzberichte im Rahmen der ITZ sogar jährlich aktualisiert.