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Schlagwort: Bundesfinanzministerium

innn.it: Langer Streit um Demokratie-Förderung jetzt vor dem Bundesfinanzhof

Der Verein innn.it e.V., der das gleichnamige Petitionsportal innn.it betreibt, wehrt sich seit 2019 gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt Berlin. Der Verein weigert sich, wie vom Finanzamt Berlin gefordert Petitionen an private Unternehmen und nicht staatliche Stellen zu löschen oder zu bepreisen. Diese seien nach Auffassung des Finanzamt gemeinnützigkeitsschädlich – nur Petitionen an staatliche Stellen würden unter den gemeinnützigen Zweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ fallen.

Der innn.it e.V. (ehemals Change.org-Verein) kann diese Argumentation nicht nachvollziehen und hat erfolgreich vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg geklagt. Das Finanzamt ging daraufhin in Revision. Die Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) in München findet am 12. Dezember 2024 statt, fünf Jahre nach Beginn der Auseinandersetzung. innn.it führt stellvertretend für etliche gemeinnützige Vereine in Deutschland einen Rechtsstreit, der eines der Probleme im Gemeinnützigkeitsrecht sichtbar macht.

Viel los um Gemeinnützigkeit: Eine Zusammenfassung der Mai-Wochen

Das Jahressteuergesetz 2024 soll die im Koalitionsvertrag versprochene Reform des Gemeinnützigkeitsrechts beinhalten. Dieses soll noch vor der Sommerpause des Bundestags ins Kabinett.
Das ist nicht mehr lang, und was bisher bekannt ist, ist ernüchternd: Im letzten veröffentlichten Entwurf war Gemeinnützigkeit gar nicht drin. Nur E-Sport soll als neuer Zweck aufgenommen werden, es gibt keine Einigung zur Klarstellung für politische Mittel für den eigenen Zweck.
Umso mehr Stiftungen, Verbände und Vereine ergreifen grade die Initiative, an Bundesfinanzminister Linder zu appellieren, an dessen Ministerium das Jahressteuergesetz hängt: Einen Abriss der Geschehnisse der letzten Wochen, in denen aus vielen Richtungen kleinerer und größerer Druck kam, haben wir hier zusammengefasst.

Finanzministerium: Politisches Engagement erlaubt

„Politisches Engagement und Gemeinnützigkeit schließen sich nicht aus.“ Ein fast überraschender Satz des Bundesfinanzministeriums in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei. „Allgemein anerkannt ist, dass steuerbegünstigte Organisationen ihre Ziele und Zwecke auch politisch verfolgen dürfen. Kampagnen und Aktionen z.B. zum Umweltschutz, für Bildung und für Integration führen nicht automatisch zum Verlust der Gemeinnützigkeit“, erklärt das Ministerium weiter.

Drei Schritte, um Freiräume für demokratisches Engagement zu sichern

Der Staat kann mit Polizei und Justiz Verletzungen von Grundrechten, Rassismus und Hasskriminalität verfolgen und ahnden. Doch die Voraussetzungen einer Demokratie, Respekt und Akzeptanz gemeinsamer Werte, kann er nicht verordnen. Die Voraussetzungen dafür schaffen vor allem Bürgerinnen und Bürger durch ihr Zusammenleben, durch ihr Engagement in zivilgesellschaftlichen Organisationen. Doch genau dieses Engagement ist durch Lücken im Gemeinnützigkeitsrecht und das Attac-Urteil bedroht. Der Staat müsste noch vor Gesetzesänderungen Schutz geben, im ersten von drei Schritten mit einem Erlass des Bundesfinanzministeriums.

Olaf Scholz muss zügig Rechtssicherheit für das Engagement für Demokratie und Menschenrechte schaffen

Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zu den neuen Ankündigungen von Olaf Scholz zum Recht der Gemeinützigkeit

Zum aktuellen Bericht des „Spiegel“ dazu, dass Olaf Scholz geplante Änderungen zum Gemeinnützigkeitsrecht verworfen habe und bessere Gesetzes-Formulierungen finden will, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 140 Vereinen und Stiftungen:

„In diesem Jahr haben bereits mindestens vier Vereine den Status der Gemeinnützigkeit verloren, weil sie sich politisch einmischen. Dies zeigt, dass es dringend Klarstellungen und Ergänzungen im Gemeinnützigkeitsrecht braucht. Der Bundestag und Olaf Scholz müssen zügig Rechtssicherheit für dieses Engagement schaffen.

Was haben VVN und Olaf Scholz miteinander zu tun?

Die Debatte um Gemeinnützigkeit und politische Einmischung ist zu Recht hochgekocht, nachdem am vergangenen Freitag der „Spiegel“ über Überlegungen im Finanzministerium berichtete und die VVN-BdA die Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit bekannt gab. Vereine und Stiftungen, die sich selbstlos für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, sind nicht erst nach dem Attac-Urteil Anfang des Jahres bedroht. Auf die unsichere Rechtslage weist unsere Allianz seit Jahren hin. Wir gehen davon aus, dass tausende Organisationen alleine durch das Attac-Urteil gefährdet sind. Mit Bezug auf das Attac-Urteil wurde bereits mindestens zwei Vereinen die Gemeinnützigkeit aberkannt: Das bundesweit tätige Kampagnen-Netzwerk Campact und das lokale Kultur- und Bildungszentrum DemoZ in Ludwigsburg.

Politische Einmischung darf nicht aus Gemeinnützigkeit gedrängt werden

Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.

  • Nötig sind neue gemeinnützige Zwecke wie Menschenrechte
  • Steuerstatus „Poltische Körperschaft“ löst kein Problem
  • Offenbar keine Einigung der Länder

Als Reaktion auf den Entzug des Status der Gemeinnützigkeit von Campact hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärt, er werde einen Vorschlag vorlegen, um das Steuerrecht zu ändern: „Wenn Organisationen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, schlechter gestellt werden als jeder x-beliebige Verein, müssen wir das Steuerrecht ändern.“ Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 130 Vereinen und Stiftungen:

„Finanzminister Olaf Scholz macht nur scheinbar eine klare Aussage zum Gemeinnützigkeitsrecht. Tatsächlich lässt er offen, wie er die Probleme nach dem Attac-Urteil lösen möchte. Warum sagt Scholz nicht klar und deutlich: Ich werde vorschlagen, das Engagement für unsere Grund- und Menschenrechte als gemeinnützigen Zweck aufzunehmen! Ich werde ermöglichen, dass sich alle gemeinnützigen Organisationen gegen Rassismus und für die Grundrechte einsetzen können!“

Landesfinanzminister wollen neue Zwecke: Klimaschutz und Dorfverschönerung

Die 16 Landesfinanzminister haben sich am 26. September 2019 darauf geeinigt, dass Klimaschutz ein neuer gemeinnütziger Zweck werden soll. Sie fordern das Bundesfinanzministerium auf, dies und weitere Vorschläge in einen Gesetzesentwurf zu übernehmen, der noch bis Jahresende vom Bundestag beschlossen werden soll. Weitere neue gemeinnützige Zwecke sollen auch „Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung diskriminiert werden“ und die Förderung der Ortsverschönerung sein.

Neue Umsatzsteuer-Regelung trifft Bildungsvereine

Mit einem Entwurf des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Bundesfinanzministerium vom 30.07.2019) möchte die Bundesregierung bestimmte Bildungsveranstaltungen nicht mehr von der Umsatzsteuer befreien: „Leistungen, die nach ihrer Zielsetzung der reinen Freizeitgestaltung dienen“. Weiterhin von der Umsatzsteuer befreit wären nur Bildungsveranstaltungen, die der formalen oder beruflichen Bildung dienen.

Länder diskutieren Gemeinnützigkeit kontrovers

Während der Finanzministerkonferenz (FMK) am 22. und 24. Mai 2019 in Berlin wurde offenbar ausgiebig und kontrovers über Gemeinnützigkeit diskutiert. Das Treffen ist nicht öffentlich und Details kommen kaum durch die geschlossenen Türen. Aber verschiedene Erklärungen reflektieren die Stimmung. Bis Ende 2019 sollen Fragen der Rechtssicherheit und des politischen Engagements gemeinnütziger Organisationen geprüft werden, zu denen es noch keinen Konsens gab. Einzelne Minister*innen positionieren sich offensiv mit ihren weiter gehenden Forderungen. Die FAZ schreibt, CDU und CSU würden für Beschränkungen eintreten.