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Schlagwort: Demokratie

BFH: Unterschied zwischen Parteien und Gemeinnützigen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erneut bestätigt, dass politische Einflussnahme dazu dienen kann, gemeinnützige Zwecke zu verfolgen, und dass gemeinnützige Anliegen oft nur durch „Zwischenschritte“ wie die Einwirkung auf „politische Entscheidungsträger“ erreichbar sein können. Eine solche indirekte Verfolgung des Zwecks sei manchen Zwecken wie dem Umweltschutz sogar immanent. Diese politische Einflussnahme mache einen Verein noch nicht zu einem politischen Verein. Lediglich „das Betreiben oder Unterstützen von Parteipolitik ist immer gemeinnützigkeitsschädlich“.

Dieser BFH-Entscheidung folgend müsste das Bundesfinanzministerium dringend den Anwendungserlass zur Abgabenordnung anpassen, der den Finanzämtern andere Vorgaben macht. Ebenso müsste das Bundesfinanzministerium die Nichtzulassungsbeschwerde im Fall Attac stoppen – allerdings ist im Streit um Attac ein anderer Senat des BFH zuständig.

BFH zu Gemeinnützigkeit: Politik ist erlaubt

Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. vom 9. August 2017 zur BFH-Entscheidung im Fall BUND

  • Bundesgericht: Keine Trennlinie zwischen Gemeinnützigkeit und Politik
  • Finanzminister muss Anwendungserlass ändern

Der Bundesfinanzhof (BFH), das höchste deutsche Finanzgericht, interpretiert das Gemeinnützigkeitsrecht anders als das Bundesfinanzministerium. Während das Ministerium wiederholt behauptet, es gebe eine „steuerliche Trennlinie“ zwischen der Förderung gemeinnütziger Zwecke und politischer Betätigung, erklärt der BFH in einer aktuellen Entscheidung: „Äußerungen, die zwar in dem Sinne als ‚politisch‘ anzusehen sind, als sie das Gemeinwesen betreffen, die aber zugleich parteipolitisch neutral bleiben, stehen der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft nicht grundsätzlich entgegen“, so lange sie dem gemeinnützigen Satzungszweck dienen.

Wahlprogramme zu Gemeinnützigkeit

SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei fordern in ihren Programmen zur Bundestagswahl im September 2017 Änderungen am Gemeinnützigkeitsrecht, um die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen in der demokratischen Willensbildung zu stärken. Die FDP verwendet das Wort „gemeinnützig“ nicht, aber würdigt demokratische Mitbestimmung. Damit bestehen gute Chancen, dass die neue Bundesregierung nach der Wahl am 24. September 2017 nötige Reformen am Gemeinnützigkeitsrecht angeht. Für das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement hatte Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, die Programmentwürfe analysiert. Mittlerweile sind diese Programme von Parteitagen beschlossen. CDU und CSU legen ihr Programm erst am 3. Juli vor, Parteitagsdebatten dazu sind nicht vorgesehen.

Es gibt keine steuerliche Trennlinie zwischen Politik und Gemeinnützigkeit

Die Auffassung des Bundesfinanzministeriums, dass es eine „steuerliche Trennlinie“ zwischen der Förderung gemeinnütziger Zwecke und politischer Betätigung gibt, ist falsch. Um das festzustellen, braucht es nicht erst ein weiteres Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH). Der BFH hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Entscheidungen der Finanzverwaltung aufgehoben, mit denen Finanzämter die politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen unzulässig beschränkt hatten. Gemeinnützigkeits-Experten wie die Jura-Professoren Dr. Rainer Hüttemann (Universität Bonn) oder Dr. Birgit Weitemeyer (Bucerius Law School Hamburg) bestätigen, dass Gemeinnützige sich zur Verfolgung ihrer gemeinnützigen Zwecke politisch betätigen dürfen.

Gericht begründet Gemeinnützigkeit von Attac

Der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts in Kassel unter Vorsitz des Richters Hel­mut Lotzgeselle hatte am 10. November 2016 entschieden, dass Attac gemeinnützig ist und damit der Klage von Attac stattgegeben (Az: 4 K 179/16). Die schriftliche Urteilsbegründung wurde erst im April 2017 vorgelegt. Das beklagte Finanzamt möchte eine Revision beim Bundesfinanzhof erreichen. Des­wegen hat es eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. Die Entscheidung und ihre Begründung wird hier dargestellt. Das Urteil ist nicht verbindlich für andere Verfahren, aber die Begründungen können natürlich in Auseinandersetzungen verwendet werden.

  • Attac hat das zugestellte Urteil hier als PDF veröffentlicht. Auf diese Fassung beziehen sich die Seitenangaben in den folgenden Hinweisen.
  • Das Gericht hat eine Online-Fassung als PDF veröffentlicht.
  • Zusätzlich hat das Gericht 16 Leitsätze veröffentlicht (PDF).

Demokratie ist nicht Sache der Politik allein

Der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will für die Demokratie streiten – so, wie es viele zivilgesellschaftliche Organisationen seit Jahren tun. In seiner Antrittsrede nach seiner Vereidigung am 22. März 2017 erinnerte er daran, „dass die Demokratie weder selbstverständlich noch mit Ewigkeitsgarantie ausgestattet ist. Dass sie – einmal errungen – auch wieder verloren gehen kann, wenn wir uns nicht um sie kümmern.“ Es bleibe diese Aufgabe: „Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verteidigen.“ Wer Partei für die Demokratie ergreife, werde ihn an seiner Seite haben, denn schließlich: „Streiten für Demokratie ist nicht Sache der Politik allein.

Donnerstag 15.12.2016, 18:25 Uhr: Bundestag debattiert Gemeinnützigkeit

Recht kurzfristig ist für kommenden Donnerstag (15. Dezember) nun im Bundestag die Debatte über die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Grünen zu Gemeinnützigkeit und politischer Willensbildung angesetzt. Die Debatte beginnt gegen 18:25 Uhr und soll 30 Minuten dauern. Sie ist auf der Bundestags-Website als Videostream zu verfolgen.

Nach dem Attac-Urteil am 10. November hatten unter anderem die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen Gesetzes-Änderungen gefordert, um Rechtssicherheit für Organisationen wie Attac zu schaffen. Die Fraktion von CDU/CSU hat sich dazu bisher nicht geäußert, wird es aber am Donnerstag tun müssen.

Verdeckte Parteienfinanzierung braucht keine Gemeinnützigkeit

LobbyControl legt in einem Blog-Beitrag dar, wie die Partei AfD in den jüngsten Wahlkämpfe mit hohen Geldbeträgen unterstützt wurde und die Geldgeber dabei anonym bleiben konnten, obwohl das Parteiengesetz vorsieht, dass Spenden ab 10.000 Euro veröffentlicht werden. Der Trick: Es wird einfach unabhängig von der Partei, offiziell ohne deren Wissen, für ihre Wahl geworben.

Diese Darstellung zeigt, dass es Partei-Geldgebern nicht auf die steuerliche Absetzbarkeit ihrer Spende ankommt, ebenso anderen Akteuren, die mit hohen Geldbeträgen in ihrem eigenen Interesse auf politische Entscheidungen einwirken. Wieder einmal wird damit ein Argument gegen die Steuerbegünstigung selbstloser politisch tätiger Organisationen widerlegt.