Die Finanzministerien von Bund und Ländern haben sich auf umfassende Änderungen zu Auslegungen des Gemeinnützigkeitsrechts im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) geeinigt. Am 27. Januar 2022 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) das BMF-Schreiben vom 12. Januar 2022 dazu (Aktenzeichen IV A 3-S 0062/21/10007:001, Dokument 2022/0001873). Wir dokumentieren hier die neuen Fassungen zu politischen Mitteln und politischer Tätigkeit, ohne Verweise auf BFH-Urteile etc.
Schlagwort: Gemeinnützigkeit
Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zur Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)
Die Bundesvereinigung der VVN-BdA hat mitgeteilt, dass die Berliner Finanzverwaltung nun die Gemeinnützigkeit für das Jahr 2019 anerkannt hat. Der Aberkennungsbescheid für die Jahre 2016 bis 2018 besteht weiter. Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 180 Vereinen und Stiftungen:
„Es ist gut, dass die Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) nun wieder gemeinnützig ist. Doch das Problem löst der Bescheid nicht.
Es darf nicht sein, dass die Gemeinnützigkeit eines Vereins von politischen Bewertungen abhängig ist. Natürlich müssen gemeinnützige Organisationen sich im Rahmen der Rechtsordnung und der Menschenrechte bewegen. Feinde der Demokratie und der Menschenrechte sind nicht gemeinnützig. Doch in Paragraph 51 der Abgabenordnung wird die Beweislast umgedreht. Demnach muss anders als bei einem Vereinsverbot nicht die Exekutive beweisen, dass ein Verein verfassungswidrig handelt, sondern die Organisation muss ihre Verfassungstreue beweisen. Das ist praktisch unmöglich und eine Umkehrung des Rechtsstaatsprinzips. Zudem weiß der betroffene Verein gar nicht, welche Beweise er widerlegen muss, da der Verfassungsschutz nur seinen Schluss veröffentlicht, aber nicht die Beweisführung.
Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zur neuen Attac-Entscheidung des Bundesfinanzhofes
- Bundesfinanzhof versäumt Gelegenheit zur Korrektur seines Attac-Urteils
- Verfassungsgericht wird nötige Klarstellungen hoffentlich nachholen: Gemeinnützigkeitsrecht darf nicht Grundrechte beschränken
- Nötig sind politische Entscheidungen zu Freiraum für Zivilgesellschaft
Zum heute veröffentlichten Beschluss des Bundesfinanzhofs zur Gemeinnützigkeit des globalisierungskritischen Netzwerks Attac erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 180 Vereinen und Stiftungen:
„Das Attac-Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vor zwei Jahren hat die Zivilgesellschaft erschüttert und lässt weiterhin tausende Vereine und Stiftungen um ihren Status der Gemeinnützigkeit bangen. Mit seiner neuen Entscheidung hat das Bundesgericht die Chance versäumt, sein Urteil zu korrigieren oder besser zu erklären. Offenbar ist der gesellschaftspolitische Streit um die Funktionen zivilgesellschaftlicher Organisationen juristisch nur schwer zu klären, auch wenn Attac nun Verfassungsbeschwerde einlegt. Nötig wären politische Entscheidungen für den dringend nötigen Freiraum für zivilgesellschaftliches Engagement in einer modernen Demokratie.
Nach mehreren Verschiebungen des Jahressteuergesetzes haben sich CDU, SPD und CSU gestern (3.12.) geeinigt. Leider ohne die von uns geforderten und dringend nötigen Klarstellungen zu politischen Mitteln. Dies bedauern wir sehr, auch wenn es einige Verbesserungen für gemeinnützige Organisationen geben wird. Wir freuen uns besonders, dass der Einsatz gegen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität nun endlich einen eindeutigen gemeinnützigen Zweck erhält. Auch die Aufnahme des Klimaschutzes ist ein großer Schritt nach vorne. Doch von den Vorteilen bleiben die Vereine ausgeschlossen, die ihre Zwecke überwiegend mit politischen Mitteln wie Demonstrationen oder Forderungen an die Regierung verfolgen.
Es ist sehr bedauerlich, dass sich die Regierungsparteien auf entscheidende Verbesserungen im Gemeinnützigkeitsrecht nicht einigen konnten. Dadurch besteht die Gefahr, dass anti-demokratisches Engagement unwidersprochen bleibt, weil sich ein Sportverein oder ein Heimatverein nicht sicher sind, ob sie dagegen halten können, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu riskieren. Eine auch mal laute, sich einmischende Zivilgesellschaft als Themenanwältin und Wächterin über Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit ist in einer liberalen Demokratie unverzichtbar und braucht Rechtssicherheit.
Wer antirassistisches Engagement fördern möchte, muss dafür passende Zwecke in der Abgabenordnung schaffen. Wenn der Staat Engagement gegen Rassismus und Rechtsextremismus mit Förderprogrammen wie „Demokratie leben!“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ unterstützt, muss er auch die Grundlage für dieses Engagement schaffen.
Mit der Petition „Engagement gegen Rassismus ist gemeinnützig: Der Bundestag muss dies garantieren!“ weisen wir gemeinsam mit 27 Organisationen, die sich tagtäglich gegen Rassismus engagieren, auf diese klaffende Lücke im Gemeinnützigkeitsrecht hin.
Bitte unterschreiben und teilen auch Sie. Je mehr Menschen unterschreiben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Anliegen Gehör findet. Das gilt ganz besonders jetzt. Denn nachdem verschiedene Sachverständige im Rahmen der Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages noch einmal auf bestehende Lücken im Gemeinnützigkeitsrecht hingewiesen haben und sich für eine Reform ausgesprochen haben, besteht innerhalb der Koalitionsfraktionen viel Beratungsbedarf. Nicht nur aber auch zu Gemeinnützigkeit.
Nach aktuellem Stand (10.11.2020) soll das Jahressteuergesetz in der Woche vom 16. November 2020 verabschiedet werden. Ob mit oder ohne Verbesserungen im Gemeinnützigkeitsrecht, wird sich noch zeigen. Wichtig ist jetzt die öffentliche Debatte zu nutzen, um auf die Lücken hinzuweisen.
Gemeinsame Pressemitteilung von 12 Dachverbänden und Netzwerken: Demokratie lebt von der Stärke ihrer Zivilgesellschaft
Mit einem gemeinsamen Statement haben zwölf Dachverbände und Netzwerke aus unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft auf die Notwendigkeit einer Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts hingewiesen. „Unsere Mitglieder stiften Gemeinschaft, fördern das Zusammenleben und geben immer wieder kritische Impulse für die gesellschaftliche Weiterentwicklung. Die im Rahmen des Jahressteuergesetzes angestoßenen Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht machen die Arbeit vieler gemeinnütziger Vereine und Stiftungen einfacher. Doch die Vorschläge sind nicht ausreichend und schaffen nicht die notwendige Rechtssicherheit“, so die Position der beteiligten Organisationen.
In ihrer Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2020 werden die Bundesländer in der Bundesrats-Sitzung am Freitag, 9. Oktober, voraussichtlich erneut ihre Forderungen zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts beschließen. [Aktualisierung – zum Beschluss siehe hier.] Die Empfehlung der Bundesrats-Ausschüsse wiederholt weitgehend Forderungen der Länder vom Vorjahr, aber es gibt einige Neuerungen. Zu den Forderungen gehören neue Zwecke von Klimaschutz bis „Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“, Erleichterungen des Ausstiegs aus der Gemeinnützigkeit und der zeitnahen Mittelverwendung für kleine Organisationen sowie neu eine Klarstellung zu politischen Tätigkeiten.
Der Entwurf der Bundesregierung (der bereits am Donnerstag auch in erster Lesung im Bundestag behandelt wird) sah keine Regelungen zu Gemeinnützigkeit vor. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung sich gegen die Länder-Vorschläge ausgesprochen und auf einen kommenden, umfassenden Entwurf des Bundesfinanzministeriums zur Gemeinnützigkeit verwiesen – der bisher nicht erschienen ist. Ob Bundesregierung oder Bundestag nun den Vorschlägen folgen, ist offen. Offen ist auch noch, ob der Bundesrat die Ausschuss-Vorlage in der Form beschließt.
Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.
- Finanzminister einigen sich auf Klarstellung im Gemeinnützigkeitsrecht
- Keine Begrenzung politischer Tätigkeiten
- Es fehlen noch neue Zwecke wie Förderung der Menschenrechte
Die Landesfinanzminister haben sich heute im Bundesrats-Finanzausschuss geeinigt, dass ins Gemeinnützigkeitsrecht folgende Regel aufgenommen werden soll: „Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre steuerbegünstigte Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist.“ (Quelle: Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel)
Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 175 Vereinen und Stiftungen:
Die Bundestagsfraktion von CDU und CSU hat am 16. Juni 2020 ein Positionspapier zu Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht beschlossen. Es trägt den Titel „Ehrenamtsgesetz 2021 – Ehrenamtlich tätige Personen stärker fördern, Vereinen das Leben leichter machen und Bürokratie abbauen“. Damit haben die Partner in der Großen Koalition ihre Positionen abgesteckt und könnten nun verhandeln, um das Recht der Gemeinnützigkeit zügig zu verbessern, wie sie es im Koalitionsvertrag vereinbart hatten.