Die erneute Finanzgericht-Verhandlung über die Gemeinnützigkeit von Attac am 26. Februar 2020 hat unsere Kritik am fatalen und schlecht begründetem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) bestätigt. Die Richter des Hessischen Finanzgerichts nannten mehrere Lücken und Unklarheiten des BFH-Urteils, mussten aber dessen restriktiver Auslegung der politischen Bildung folgen. Das Landesgericht konnte daher – anders als in November 2016 – die Gemeinnützigkeit von Attac nicht bestätigen.
Schlagwort: Gemeinnützigkeitsrecht
Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zur Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts zur Gemeinnützigkeit von Attac
- Finanzgericht kritisiert Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs
- Engagement für Demokratie braucht Rechtssicherheit
Der vierte Senat des Hessischen Finanzgerichts hat heute die Klage von Attac auf Gemeinnützigkeit abgewiesen. Eine erneute Revision vor dem Bundesfinanzhof ist zugelassen und wahrscheinlich.
Genau ein Jahr zuvor hatte der Bundesfinanzhof (BFH) das vorhergehende Urteil des Finanzgerichts aufgehoben, aber nicht abschließend über die Gemeinnützigkeit von Attac entschieden. Der BFH hatte dem Landesgericht enge Vorgaben zur Interpretation des Zwecks der politischen Bildung gemacht, aber nicht zu anderen Zwecken. Der Vorsitzende des hessischen Senats, Helmut Lotzgeselle, kritisierte das BFH-Urteil unter anderem als mit heißer Nadel gestrickt. Eine mögliche erneute Revision gebe dem Bundesgericht die Gelegenheit, sich den Fragen politischer Einmischung durch gemeinnützige Organisationen umfassend und fundiert zu widmen.
Die 16 Landesfinanzminister haben sich am 26. September 2019 darauf geeinigt, dass Klimaschutz ein neuer gemeinnütziger Zweck werden soll. Sie fordern das Bundesfinanzministerium auf, dies und weitere Vorschläge in einen Gesetzesentwurf zu übernehmen, der noch bis Jahresende vom Bundestag beschlossen werden soll. Weitere neue gemeinnützige Zwecke sollen auch „Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung diskriminiert werden“ und die Förderung der Ortsverschönerung sein.
Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V.
- Bundesrat schlägt bei TOP 33 Änderungen Gemeinnützigkeitsrecht vor
- Engagement für Klimaschutz gefährdet die Gemeinnützigkeit, Mittelweitergabe nicht
- Eigene Aktivitäten müssen genauso erlaubt sein wie die Weitergabe von Geld
Der Bundesrat wird heute als Punkt 33 seiner Tagesordnung umfangreiche Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht anregen. Dazu gehören Freifunk als neuer gemeinnütziger Zweck sowie deutlich einfachere Möglichkeiten für gemeinnützige Vereine, Geld an andere gemeinnützige Organisationen weiterzugeben. Auch nach der vorgeschlagenen Änderung von Paragraph 58 der Abgabenordnung (Mittelweitergabe) würden Vereine ihre Gemeinnützigkeit riskieren, wenn sie sich selbst für Klimaschutz engagieren, ohne dass dieser Zweck in ihrer Satzung steht. Doch Geld an einen Umweltschutz-Verein für dessen Engagement weiterzugeben, wäre erlaubt. „Das ist widersprüchlich und verwirrend“, erklärt dazu Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 130 Vereinen und Stiftungen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), eines der mehr als 120 Mitglieder der Allianz, hat konkrete Formulierungen zur Änderung der Abgabenordnung vorgeschlagen. Den Gesetzesentwurf präsentierte der BUND am 21. Juni 2019. Mit den Änderungen soll abgesichert werden, „dass Organisationen, die außerhalb der Parlamente politische Anliegen verfolgen, steuerrechtlich gefördert werden“. Damit nimmt der BUND Forderungen der Allianz und Debatten innerhalb der Allianz auf. Sein Gesetzesentwurf ist eine spannende Anregung für die Debatte.
Während der Finanzministerkonferenz (FMK) am 22. und 24. Mai 2019 in Berlin wurde offenbar ausgiebig und kontrovers über Gemeinnützigkeit diskutiert. Das Treffen ist nicht öffentlich und Details kommen kaum durch die geschlossenen Türen. Aber verschiedene Erklärungen reflektieren die Stimmung. Bis Ende 2019 sollen Fragen der Rechtssicherheit und des politischen Engagements gemeinnütziger Organisationen geprüft werden, zu denen es noch keinen Konsens gab. Einzelne Minister*innen positionieren sich offensiv mit ihren weiter gehenden Forderungen. Die FAZ schreibt, CDU und CSU würden für Beschränkungen eintreten.
Die Reaktion einzelner Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf das BFH-Urteil zur Gemeinnützigkeit von Attac ist erschreckend. Man mag die BFH-Entscheidung zur Klärung der Rechtslage begrüßen, doch diese Aussagen lesen sich wie eine hämische Attacke auf missliebige Organisationen. Sie gefährden damit den demokratischen Zusammenhalt.