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Schlagwort: Parteienfinanzierung

Fortschritte bei Demokratiepolitik, aber nicht bei Gemeinnützigkeitsrecht

Die Koalition aus SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP ist bei demokratiepolitischen Vorhaben in den vergangenen Monaten gut voran gekommen – anders, als es oft wahrgenommen wird. Im vergangenen Jahr gab es dazu einige im Koalitionsvertrag vereinbarte Gesetzesänderungen. Regierung und Bundestag haben einiges abgearbeitet, aber kaum verknüpft. Eher unwahrscheinlich scheint, dass der Koalition bewusst war, dass sich diese Gesetzgebungen auf einem demokratiepolitischen Faden aufreihen.

Die ebenfalls vereinbarte, aber noch ausstehende Modernisierung der Gemeinnützigkeit sollte sich allerdings einreihen. Neben vielen kleinen Reparaturen und Wartungsarbeiten geht es bei der Modernisierung um demokratiepolitische Fragen, um die Funktion zivilgesellschaftlicher Organisation in der Demokratie, bei der Verteidigung von Menschenrechten, beim Schutz des Rechtsstaats. Welche Rolle will der Staat der Zivilgesellschaft zuschreiben? Was will er ermöglichen, was ausbremsen? Welche Kontrollen oder Begrenzungen sind vielleicht nötig, um andererseits Vertrauen zu schaffen?

Kein gemeinütziger Verein: Bündnis Sahra Wagenknecht

Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass ein Verein stets gemeinnützig und steuerbegünstigt sei. Das Gemeinnützigkeitsrecht ist zwar das prägende Recht zivilgesellschaftlicher Organisationen, aber keine rechtliche Notwendigkeit. In Deutschland gibt es für Vereine weder eine Genehmigungs- noch eine Registrierungspflicht. Die meisten, aber nicht jeder Verein sind „eingetragene Vereine“ (e.V.), beim Amtsgericht registriert. Die Basis in Deutschland ist das Grundgesetz mit seiner Vereinigungsfreiheit in Artikel 9.

Der Verein „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit e.V.“ ist nach eigener Auskunft nicht gemeinnützig und strebt das offenbar auch nicht an. Stattdessen unterwirft er sich freiwillig (ohne dies zu erläutern) den Spendenregeln der Parteien (Offenlegung ab 10.000 Euro, Annahmeverbote, § 25 Parteiengesetz).

Rechtsgutachten zeigt große Spielräume für politische Betätigung

Es gibt keine verfassungsrechtlichen Grenzen für die politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen zugunsten ihrer Zwecke. Auch die Aufnahme politischer Willensbildung als eigener Zweck ins Gesetz ist möglich. Eine Gleichbehandlung zivilgesellschaftlicher Organisationen mit Parteien ist verfassungswidrig, da zwischen ihnen markante Unterschiede bestehen, etwa die Teilnahme an Wahlen. Bundestag und Bundesrat haben also erhebliche Spielräume, das Gemeinnützigkeitsrecht zu erweitern – wenn sie wollen. Das sind Ergebnisse eines Rechtsgutachtens, das die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) am 2. Mai 2020 veröffentlicht hat. Darin hat Prof. Dr. Sebastian Unger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschafts- und Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum, die „Politische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften“ untersucht.

Donnerstag: Bundestag diskutiert FDP-Antrag zu Gemeinnützigkeit

Der Bundestag debattiert heute Nacht nach 23 Uhr über Grenzen der Gemeinnützigkeit. Anlass ist ein Antrag der FDP-Fraktion (Drucksache 19/2580), der allerdings keine Gesetzes-Änderungen vorschlägt und sich eher einem Einzelfall als Grundsatzfragen widmet. Im Antrag geht es um die Tierrechts-Organisation Peta. Die FDP fordert, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen solle, „dass Körperschaften, deren Repräsentanten bei der Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks der Körperschaft gegen die geltenden Strafgesetze verstoßen oder zu einem solchen Rechtsbruch aufrufen, grundsätzlich nicht mehr in den Genuss der Steuerbegünstigung der Gemeinnützigkeit kommen dürfen“.

AfD gegen Campact

Darf ein gemeinnütziger Verein vor den Zielen einer politischen Partei warnen, weil diese aus seiner Sicht gegenläufig zu seinen gemeinnützigen Zielen und Werten stehen? Mit dieser Frage sieht sich die Kampagnen-Organisation Campact durch eine Anzeige einer AfD-Bundestagsabgeordneten beim Finanzamt konfrontiert. Die Abgeordnete fordert, dem Verein die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

Über den Unterschied zwischen politischer Bildung und politischer Willensbildung

Warum soll der Bundesfinanzhof das Gemeinnützigkeits-Urteil zugunsten von Attac in einer Revision verhandeln? Die im Juli 2017 vorgelegte Begründung dafür gleicht einem Orakel, das sehr interpretationsbedürftig ist. Dies fängt an bei der unklaren Autorenschaft: Wurden die 13 Seiten im Finanzamt Frankfurt geschrieben oder im Bundesfinanzministerium? Wir gehen mal vom Ministerium aus, da es im Mai 2017 angeordnet hatte, die Beschwerde einzulegen.
Postuliert hatte das Ministerium damals, dass es um die Abgrenzung von allgemeinpolitischer zu gemeinnütziger Betätigung gehe, schreibt u.a. die Hessische Landesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Landtag (Drucksache 19/5098 vom 31. Juli 2017). Doch in der eingereichten Begründung geht es letztlich nur um Möglichkeiten und Grenzen politischer Bildung (als Unterpunkt des gemeinnützigen Zwecks „Volksbildung“) sowie um die Frage, ob in Satzungen die Zwecke wörtlich aus dem Gesetz abgeschrieben werden müssen. Es geht überraschenderweise überhaupt nicht um die Auslegung des Zwecks „Förderung des demokratischen Staatswesens“, der eine wichtige Grundlage des Urteils ist, das mit der Beschwerde angegriffen wird.

Verdeckte Parteienfinanzierung braucht keine Gemeinnützigkeit

LobbyControl legt in einem Blog-Beitrag dar, wie die Partei AfD in den jüngsten Wahlkämpfe mit hohen Geldbeträgen unterstützt wurde und die Geldgeber dabei anonym bleiben konnten, obwohl das Parteiengesetz vorsieht, dass Spenden ab 10.000 Euro veröffentlicht werden. Der Trick: Es wird einfach unabhängig von der Partei, offiziell ohne deren Wissen, für ihre Wahl geworben.

Diese Darstellung zeigt, dass es Partei-Geldgebern nicht auf die steuerliche Absetzbarkeit ihrer Spende ankommt, ebenso anderen Akteuren, die mit hohen Geldbeträgen in ihrem eigenen Interesse auf politische Entscheidungen einwirken. Wieder einmal wird damit ein Argument gegen die Steuerbegünstigung selbstloser politisch tätiger Organisationen widerlegt.

Pegida gründet Partei – attraktiver als Gemeinnützigkeit

Pegida hat erneut angekündigt, zu Wahlen antreten zu wollen und eine Partei zu gründen. Der Grund ist wahrscheinlich vor allem, dass dann Spenden von der Steuer abgesetzt und sogar staatlich subventioniert werden. Der Versuch des Pegida-Vereins, als gemeinnützig anerkannt zu werden, ist offenbar gescheitert. Darum können Spenden an Pegida von den Spendern nicht abgesetzt werden.

An die Anerkennung als Partei dagegen werden viel geringere Maßstäbe angelegt. Politische Tätigkeit ist ihr Kernmerkmal, während es für Gemeinnützige strittig ist, wie politisch sie handeln dürfen.

Politische und gemeinnützige Zwecke sind nicht verschieden

„Der Gesetzgeber hat … bewusst zwischen gemeinnützigen und politischen Zwecken unterschieden“, behauptet das Finanzamt Frankfurt in seinem Bescheid, mit dem es Attac die Gemeinnützigkeit aberkennt. „Wer politisch aktiv sein möchte, der wird in der bestehenden Parteienlandschaft bzw. Wählergemeinschaft sicher fündig werden“, schreibt der Bundesfinanzminister in einem Brief an die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Warum das so nicht stimmt, warum es im Gesetz (Abgabenordnung) keine Trennung zwischen politischen und gemeinnützigen Zwecken gibt, warum jeder gemeinnützige Zweck politisch sein kann und wie dabei Parteien von Gemeinnützigen getrennt werden, hat Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz, in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau aufgeschrieben:

Spiegel: Rechtspopulistische Vereine gemeinnützig?

Das Magazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner Ausgabe vom 30. April 2016 über mehrere gemeinnützige Vereine, die von der rechtspopulistischen Politikerin Beatrix von Storch betrieben werden.  Insbesondere geht es um den Verein „Zivile Koalition“. Der Spiegel kritisiert in dem Bericht unter anderem den lässigen Umgang mit Buchhaltung und Vermögen der Vereine, dass Verwendungszwecke von Spenden unklar sind und dass mit systematischem Fundraising Politaktivismus finanziert werde. Zudem stellt er die Selbstlosigkeit der Vereine in Frage, da mit ihnen durch Mietzahlungen Immobilien der Storch-Familie finanziert werden.

Dass Vereine Spenden sammeln, um damit ihre gemeinnützigen Zwecke auch mit politischen Mitteln zu finanzieren, dass sie dazu auch Fachpersonal beschäftigen und professionell auftreten, sollte in einer Demokratie selbstverständlich möglich sein. Was der Spiegel beschreibt, stellt allerdings die Gemeinnützigkeit der Vereine aus anderen Gründen in Frage.