Pressestatement der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zur Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)
Die Bundesvereinigung der VVN-BdA hat mitgeteilt, dass die Berliner Finanzverwaltung nun die Gemeinnützigkeit für das Jahr 2019 anerkannt hat. Der Aberkennungsbescheid für die Jahre 2016 bis 2018 besteht weiter. Dazu erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 180 Vereinen und Stiftungen:
„Es ist gut, dass die Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) nun wieder gemeinnützig ist. Doch das Problem löst der Bescheid nicht.
Es darf nicht sein, dass die Gemeinnützigkeit eines Vereins von politischen Bewertungen abhängig ist. Natürlich müssen gemeinnützige Organisationen sich im Rahmen der Rechtsordnung und der Menschenrechte bewegen. Feinde der Demokratie und der Menschenrechte sind nicht gemeinnützig. Doch in Paragraph 51 der Abgabenordnung wird die Beweislast umgedreht. Demnach muss anders als bei einem Vereinsverbot nicht die Exekutive beweisen, dass ein Verein verfassungswidrig handelt, sondern die Organisation muss ihre Verfassungstreue beweisen. Das ist praktisch unmöglich und eine Umkehrung des Rechtsstaatsprinzips. Zudem weiß der betroffene Verein gar nicht, welche Beweise er widerlegen muss, da der Verfassungsschutz nur seinen Schluss veröffentlicht, aber nicht die Beweisführung.
Deshalb fordert die Allianz ‚Rechtssicherheit für politische Willensbildung‘, die formelle Regelung in Paragraph 51 Absatz 3 Satz 2 zu streichen. Sonst hängt die Gemeinnützigkeit eines Vereins am Ende vom politischen Willen eines Innenministers oder einer Innenministerin ab.
Die gute Nachricht, dass die VVN-BdA jetzt wieder als gemeinnützig anerkannt ist, hat mehr als einen fahlen Beigeschmack. Es droht nicht mehr die Abführung des Vermögens. Spenden sind nun wieder steuerbegünstigt. Die Landesvereinigungen können wieder Beiträge an den Bundesverband abführen. Doch der Fall ist nicht erledigt: Ob der Verein noch Steuern nachzahlen muss, ist ungewiss. Die Arbeit des Vereins hängt weiter davon ab, wie ein Landesamt für Verfassungsschutz seine Arbeit bewertet.“
Nachtrag 28. April 2021: Das Finanzamt hat nun auch die Gemeinnützigkeit für die vorherigen Jahre bestätigt, teilt der Verein mit.
Eine Vielzahl von Vereinen und Stiftungen fühlt sich durch das unklare Gemeinnützigkeitsrecht bedroht. Mehr als 180 Vereine und Stiftungen haben sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammen geschlossen, um das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und die selbstlose politische Einmischung etwa für Grundrechte und gemeinnützige Zwecke abzusichern. Zu den Mitgliedern gehören neben Attac, Amnesty International, Brot für die Welt, Transparency International oder Terre des Hommes auch die Bundesvereinigung der VVN-BdA.
Weiterführende Infos zum Fall VVN-BdA
Seit zwei Jahren bangt und streitet die Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) um ihre Gemeinnützigkeit. Das hat den Verein hunderte Stunden hauptamtlicher und ehrenamtlicher Arbeit gekostet und seine Arbeit bestimmt. Seine wichtigen Zwecke wie Erinnerungsarbeit haben darunter gelitten. Das bestätigt erneut, wie das unklare Gemeinnützigkeitsrecht das Engagement tausender Vereine und Stiftungen erschwert.
Lediglich im bayerischen Verfassungsschutzbericht wird die VVN-BdA erwähnt. Dennoch wurden im Januar 2019 sowohl die Bundesvereinigung mit Sitz in Berlin als auch zahlreiche andere Orts- und Kreisverbände vor allem in Nordrhein-Westfalen und auch der dortige Landesverband von den jeweiligen Finanzämtern angeschrieben. Die Finanzämter erklärten, die Gemeinnützigkeit aufgrund der Erwähnung im bayerischen Verfassungsschutzbericht zu prüfen.
Die Vereine antworteten mit gleichlautenden Stellungnahme. Darin wurde u.a. darauf hingewiesen, dass der Verfassungsschutz Bayern die VVN-BdA lediglich als linksextremistisch beeinflusst erwähnt. Der Bundesfinanzhof (BFH) dagegen verlange, dass die betreffende Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht „als extremistische Organisation aufgeführt“ ist, was nur der Fall ist, wenn sie dort ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird, nicht aber wenn die Körperschaft nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwähnung findet. Im Schreiben wird auch erwähnt, dass die Aussage des bayerischen Berichts nicht für andere Untergliederungen gelten kann.
Daraufhin wurden offenbar alle entsprechenden Verfahren in Nordrhein-Westfalen beendet – lediglich die Bundesvereinigung erhielt Anfang November 2019 einen Bescheid über die Aberkennung der Gemeinnützigkeit.
Attac oder VVN-BdA sind nicht die einzigen Vereine, die unter dem veralteten Gemeinnützigkeitsrecht leiden. Einige Fallbeispiele gibt es hier.
Das Recht der Gemeinnützigkeit ist Teil des Steuerrechts, prägt aber den gesamten Sektor zivilgesellschaftlicher Organisationen. Der Status der Gemeinnützigkeit ist nicht nur Voraussetzung dafür, das Spenderinnen und Spender ihre Zuwendungen steuerlich geltend machen können, sondern auch für viele Fördermittel, für die Zusammenarbeit mit Dritten und für indirekte Vorteile.
Ob ein Verein, eine Stiftung oder eine andere Körperschaft die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllen, prüft das örtliche Finanzamt in zwei Schritten. Es stellt zunächst fest, ob die Satzung den Vorgaben entspricht. Und dann prüft es meist alle drei Jahre rückwirkend, manchmal auch jährlich, ob die so genannte „tatsächliche Geschäftsführung“ der Satzung und den gesetzlichen Regeln entspricht.